Ein Binärstern, auch Doppelstern genannt, ist ein System aus zwei Sternen, die gravitativ aneinander gebunden sind und sich um einen gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Diese Systeme sind im Universum weit verbreitet; Schätzungen zufolge sind mehr als die Hälfte aller Sterne Teil eines Mehrfachsternsystems, wobei Binärsterne die häufigste Konfiguration darstellen. Die Umlaufbahnen der beiden Komponentensterne können stark variieren, von nahezu kreisförmig bis hoch exzentrisch, und ihre Perioden reichen von wenigen Stunden bis zu vielen tausend Jahren.
Die Entdeckung und Klassifizierung von Binärsternen ist für die Astrophysik von immenser Bedeutung. Sie ermöglicht es Astronomen, grundlegende Sterneigenschaften wie die Masse direkt zu bestimmen. Durch die Anwendung der Keplerschen Gesetze auf die beobachteten Bahnen der Sterne kann die Gesamtmasse des Systems berechnet werden. Wenn die individuellen Bahnen und die Neigung des Systems zur Sichtlinie bekannt sind, können sogar die Massen der einzelnen Komponenten ermittelt werden, was bei Einzelsternen nur indirekt über Modelle möglich ist.
Binärsterne werden nach der Art ihrer Beobachtung in verschiedene Typen unterteilt. Visuelle Binärsterne sind solche, bei denen beide Komponenten mit einem Teleskop direkt voneinander getrennt und beobachtet werden können. Spektroskopische Binärsterne hingegen sind so eng beieinander, dass sie optisch nicht getrennt werden können, ihre binäre Natur aber durch periodische Doppler-Verschiebungen in ihren Spektrallinien verraten wird, die auf die Bewegung der Sterne um ihren gemeinsamen Schwerpunkt zurückzuführen sind.
Eine weitere wichtige Kategorie sind Bedeckungsveränderliche Binärsterne. Bei diesen Systemen liegt die Bahnebene der Sterne so günstig zur Erde, dass die Sterne sich periodisch gegenseitig bedecken. Dies führt zu charakteristischen Helligkeitsschwankungen, die als Lichtkurven aufgezeichnet werden können. Die Analyse dieser Lichtkurven liefert detaillierte Informationen über die Größen, Formen, Temperaturen und sogar die Atmosphären der beteiligten Sterne. Astrometrische Binärsterne sind Systeme, bei denen nur ein Stern sichtbar ist, dessen Bewegung jedoch periodische Oszillationen aufweist, die auf die gravitative Wirkung eines unsichtbaren Begleiters hindeuten.
Die Entstehung von Binärsternen wird in der Regel während des Sternentstehungsprozesses angenommen, wenn Gas- und Staubwolken kollabieren. Anstatt dass sich nur ein Protostern bildet, kann die Wolke fragmentieren und zwei oder mehr Protosterne erzeugen, die dann gravitativ aneinander gebunden bleiben. Alternativ können auch spätere Einfangprozesse in dichten Sternhaufen zur Bildung von Binärsternen führen, obwohl dies als seltener gilt.
Binärsternsysteme sind auch Schauplatz vieler faszinierender Phänomene der Sternentwicklung. In engen Binärsystemen kann es zu Massentransfer kommen, wenn einer der Sterne seine Roche-Grenze überschreitet und Materie auf den Begleiter überströmt. Dies kann zur Entstehung von Akkretionsscheiben, Novae, Supernovae vom Typ Ia oder auch zu Röntgenstrahlung führen, wenn der Empfänger ein kompakter Stern wie ein Weißer Zwerg, Neutronenstern oder Schwarzes Loch ist. Die Untersuchung dieser Prozesse liefert entscheidende Einblicke in die späten Phasen der Sternentwicklung und die Physik extremer Objekte. Die Erforschung von Binärsternen bleibt somit ein aktives und fruchtbares Feld der modernen Astrophysik.