Ein Dilemma (vom griechischen „di-lemma“, wörtlich „doppelte Annahme“ oder „zwei Prämissen“) beschreibt eine Situation, in der eine Person oder eine Gruppe vor der Wahl zwischen zwei oder mehr Alternativen steht, die alle gleichermaßen unerwünscht sind oder zu negativen Konsequenzen führen. Es handelt sich um eine Zwangslage, bei der jede mögliche Entscheidung mit Nachteilen verbunden ist und es keine eindeutig „gute“ oder „richtige“ Option gibt, die frei von moralischen oder praktischen Bedenken wäre. Die Essenz eines Dilemmas liegt in der Unmöglichkeit, eine Lösung zu finden, die alle Anforderungen erfüllt oder alle negativen Aspekte vermeidet.
Im Gegensatz zu einem einfachen Problem, das eine klare Lösung haben kann, zeichnet sich ein Dilemma durch eine inhärente Ambivalenz aus. Oft sind die zur Wahl stehenden Optionen nicht nur unangenehm, sondern stehen auch in direktem Konflikt miteinander, beispielsweise wenn zwei moralische Prinzipien kollidieren. Ein klassisches Beispiel ist die Wahl zwischen zwei Übeln, bei der das vermeintlich „kleinere Übel“ dennoch erhebliche negative Auswirkungen haben kann. Die Situation erfordert eine sorgfältige Abwägung, da die Nicht-Entscheidung selbst oft als dritte, ebenfalls unerwünschte Option fungiert und zu weiteren Problemen führen kann.
Man unterscheidet verschiedene Arten von Dilemmata. Das moralische Dilemma ist wohl das bekannteste und tritt auf, wenn moralische Pflichten oder Werte in Konflikt geraten. Ein berühmtes Gedankenexperiment ist das „Trolley-Problem“, bei dem man entscheiden muss, ob man den Tod einer Person in Kauf nimmt, um mehrere andere zu retten. Praktische Dilemmata hingegen beziehen sich auf Situationen, in denen die Wahl zwischen zwei oder mehr unattraktiven Handlungsoptionen aus pragmatischen Gründen getroffen werden muss, beispielsweise bei knappen Ressourcen oder Zeitdruck. Seltener, aber relevant in der Logik, sind logische Dilemmata, die in der Form von Syllogismen auftreten und bei denen eine Schlussfolgerung aus zwei Prämissen abgeleitet wird, die beide zu unerwünschten Konsequenzen führen.
In der Philosophie, insbesondere in der Ethik, spielen Dilemmata eine zentrale Rolle bei der Untersuchung von Moralität und Entscheidungsfindung. Sie zwingen dazu, die Grundlagen moralischer Urteile zu hinterfragen und die Gültigkeit verschiedener ethischer Theorien (wie Utilitarismus, Deontologie oder Tugendethik) auf die Probe zu stellen. Die Auseinandersetzung mit moralischen Dilemmata offenbart die Komplexität menschlicher Werte und die Schwierigkeit, universelle Prinzipien in konkreten Situationen anzuwenden. Oft gibt es keine eindeutige „richtige“ Antwort, sondern nur eine Entscheidung, die bestimmte Werte über andere stellt.
Das Erleben eines Dilemmas kann erhebliche psychologische Belastungen mit sich bringen. Die Notwendigkeit, eine schwierige Entscheidung zu treffen, die potenziell negative Auswirkungen hat, führt oft zu Stress, Angst, kognitiver Dissonanz und Schuldgefühlen, unabhängig von der getroffenen Wahl. Die Person fühlt sich gefangen und hilflos, da jede Option mit einem Verlust verbunden ist. Die Unsicherheit über die „richtige“ Wahl und die potenziellen Konsequenzen können zu einer Lähmung der Entscheidungsfähigkeit führen, bekannt als Entscheidungsstarre.
Obwohl ein Dilemma per Definition keine ideale Lösung bietet, gibt es Strategien, um mit solchen Situationen umzugehen. Dazu gehören eine gründliche Analyse der Situation und der möglichen Konsequenzen jeder Option, das Priorisieren von Werten und Prinzipien, das Einholen von Ratschlägen von vertrauenswürdigen Personen oder Experten sowie die Entwicklung von Kompromissen. Manchmal erfordert die Lösung eines Dilemmas eine kreative oder unkonventionelle Denkweise, die über die offensichtlichen Alternativen hinausgeht. In vielen Fällen geht es nicht darum, die perfekte Lösung zu finden, sondern diejenige, die den geringsten Schaden anrichtet oder am besten mit den eigenen Kernwerten vereinbar ist.
Es gibt auch Dilemmata, die als fundamental unauflösbar betrachtet werden können, bei denen jede Entscheidung unweigerlich zu einem tiefen Bedauern führt. In solchen Fällen kann die Akzeptanz der inhärenten Tragik der Situation ein wichtiger Schritt sein. Dies bedeutet nicht, die Entscheidung zu vermeiden, sondern anzuerkennen, dass moralische und praktische Konflikte ein unvermeidlicher Teil des menschlichen Lebens sind und dass es manchmal keine „gute“ Wahl gibt, sondern nur die Wahl des „geringeren Übels“ oder die bewusste Entscheidung, bestimmte Werte über andere zu stellen und die Konsequenzen zu tragen.