Das Endoplasmatische Retikulum (ER) ist ein komplexes und dynamisches Netzwerk aus miteinander verbundenen Membranen, das im Zytoplasma von eukaryotischen Zellen allgegenwärtig ist. Es erstreckt sich vom äußeren Kernmembran bis zur Zellmembran und bildet eine ausgedehnte, dreidimensionale Struktur. Morphologisch lässt es sich in zwei Haupttypen unterteilen: das raue Endoplasmatische Retikulum (RER) und das glatte Endoplasmatische Retikulum (SER), die sich in ihrer Struktur und Funktion unterscheiden, aber oft miteinander verbunden sind und ineinander übergehen. Das ER besteht aus flachen, sackartigen Strukturen, den Zisternen, und einem Netzwerk von Tubuli, die einen inneren Raum, das Lumen oder die ER-Zisterne, umschließen.
Das raue Endoplasmatische Retikulum ist charakterisiert durch die Anwesenheit von Ribosomen auf seiner zytosolischen Oberfläche, was ihm sein "rauhes" Aussehen verleiht. Diese Ribosomen sind entweder fest an die ER-Membran gebunden oder reversibel assoziiert. Das RER ist primär an der Synthese von Proteinen beteiligt, die für die Sekretion bestimmt sind, in die Zellmembran integriert werden sollen oder in Organellen wie Lysosomen und den Golgi-Apparat transportiert werden. Der Prozess beginnt, wenn Ribosomen, die eine mRNA für ein ER-Zielprotein translieren, an die ER-Membran binden und das wachsende Polypeptid durch einen Translokationskanal in das ER-Lumen einführen. Innerhalb des Lumens durchlaufen die Proteine Faltungsprozesse, die durch Chaperon-Proteine wie BiP (Binding immunoglobulin Protein) unterstützt werden, und erfahren posttranslationale Modifikationen, wie z.B. die N-Glykosylierung. Das RER spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Qualitätskontrolle von Proteinen, indem es falsch gefaltete oder aggregierte Proteine identifiziert und für den Abbau über den ER-assoziierten Proteindegradationsweg (ERAD) markiert.
Das glatte Endoplasmatische Retikulum hingegen weist keine Ribosomen auf seiner Oberfläche auf und erscheint daher "glatt". Es ist in seiner Morphologie variabler, oft bestehend aus einem Netzwerk von Tubuli, und seine Funktionen sind vielfältig und zelltypspezifisch. Eine Hauptfunktion des SER ist die Synthese von Lipiden, einschließlich Phospholipiden für Membranen, Steroiden (z.B. Hormonen in endokrinen Drüsen) und Fettsäuren. Darüber hinaus ist das SER entscheidend für die Entgiftung von Medikamenten, Pestiziden und anderen schädlichen Verbindungen, insbesondere in Leberzellen, wo es eine hohe Konzentration an Entgiftungsenzymen, wie den Cytochrom-P450-Enzymen, enthält. Eine weitere wichtige Rolle des SER ist die Speicherung und Freisetzung von Kalziumionen (Ca2+). In Muskelzellen wird das SER als Sarkoplasmatisches Retikulum (SR) bezeichnet und spielt eine zentrale Rolle bei der Muskelkontraktion durch die präzise Regulation der intrazellulären Kalziumkonzentration.
Störungen in der Funktion des Endoplasmatischen Retikulums, insbesondere bei der Proteinfaltung, können zu ER-Stress führen. Dies aktiviert eine Reihe von zellulären Signalwegen, die als Unfolded Protein Response (UPR) bekannt sind. Die UPR zielt darauf ab, die Homöostase des ER wiederherzustellen, indem sie die Proteinsynthese reduziert, die Produktion von Chaperonen erhöht und den Abbau falsch gefalteter Proteine fördert. Bei anhaltendem oder schwerem Stress kann die UPR jedoch Apoptose (programmierten Zelltod) auslösen. Proteine und Lipide, die im ER synthetisiert und korrekt gefaltet wurden, werden anschließend in Transportvesikeln zum Golgi-Apparat transportiert, wo sie weiter verarbeitet, sortiert und zu ihren endgültigen Bestimmungsorten in der Zelle oder außerhalb der Zelle geleitet werden. Das ER ist somit eine zentrale Schaltstelle im Sekretionsweg und für die Aufrechterhaltung der zellulären Homöostase unerlässlich.