Der Flaschenhalseffekt, auch als genetischer Flaschenhals bekannt, ist ein Phänomen in der Populationsgenetik, das auftritt, wenn eine Population eine drastische Reduzierung ihrer Größe erfährt. Dies kann durch Naturkatastrophen wie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Dürren, Überschwemmungen oder auch durch menschliche Einflüsse wie übermäßige Jagd, Lebensraumzerstörung, Umweltverschmutzung oder Epidemien verursacht werden. Die überlebenden Individuen stellen nur einen kleinen, zufälligen Teil der ursprünglichen Population dar, und ihre Gene repräsentieren nicht mehr die gesamte genetische Vielfalt der Ausgangspopulation. Die Folge ist ein signifikanter Verlust an genetischer Variation und eine Verschiebung der Allelfrequenzen, da bestimmte Allele verloren gehen oder ihre Häufigkeit stark abnimmt, während andere zufällig dominant werden. Die genetische Zusammensetzung der neuen, kleineren Population ist somit oft stark verarmt und unterscheidet sich deutlich von der ursprünglichen.
Die Auswirkungen eines Flaschenhalseffekts sind weitreichend und oft negativ für die betroffene Art. Der Verlust genetischer Vielfalt bedeutet, dass die Population weniger unterschiedliche Allele besitzt, die für verschiedene Merkmale kodieren. Dies reduziert die Fähigkeit der Population, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Wenn beispielsweise ein neuer Krankheitserreger auftritt oder sich das Klima ändert, fehlt möglicherweise die genetische Variation, um Individuen zu entwickeln, die resistent oder anpassungsfähig sind. Eine geringe genetische Vielfalt erhöht auch das Risiko von Inzuchtdepression, bei der die Paarung eng verwandter Individuen zu einer erhöhten Häufigkeit rezessiver, schädlicher Allele und damit zu einer verminderten Fitness führt. Dies äußert sich oft in geringerer Fruchtbarkeit, erhöhter Krankheitsanfälligkeit und einer reduzierten Überlebensrate der Nachkommen.
Ein klassisches Beispiel für den Flaschenhalseffekt sind die Geparden (Acinonyx jubatus). Genetische Studien haben gezeigt, dass alle heute lebenden Geparden eine extrem geringe genetische Vielfalt aufweisen, was darauf hindeutet, dass sie in der Vergangenheit einen oder mehrere Flaschenhälse durchlaufen haben. Dies macht sie besonders anfällig für Krankheiten und Umweltveränderungen. Ein weiteres bekanntes Beispiel sind die Nördlichen See-Elefanten (Mirounga angustirostris), die im 19. Jahrhundert fast ausgerottet wurden und deren Population auf etwa 20 Individuen schrumpfte. Obwohl sich ihre Population inzwischen wieder erholt hat, ist ihre genetische Vielfalt nach wie vor sehr gering. Auch der Mauritiusfalke (Falco punctatus) erlebte einen extremen Flaschenhals, als seine Population auf nur noch vier Individuen sank, konnte aber durch intensive Schutzmaßnahmen gerettet werden, wenn auch mit reduzierter genetischer Basis.
In der Naturschutzbiologie ist das Verständnis des Flaschenhalseffekts von entscheidender Bedeutung. Er verdeutlicht, warum der Schutz großer, genetisch vielfältiger Populationen so wichtig ist. Maßnahmen zur Erhaltung bedrohter Arten zielen oft darauf ab, die Populationen wieder zu vergrößern und die genetische Vielfalt zu erhöhen, beispielsweise durch Zuchtprogramme, Umsiedlungen von Individuen aus anderen Populationen zur Förderung des Genflusses oder die Schaffung von Korridoren, die den Austausch zwischen isolierten Populationen ermöglichen. Langfristige Überlebensstrategien für Arten müssen immer die genetische Gesundheit der Populationen berücksichtigen, um ihre Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber zukünftigen Herausforderungen zu gewährleisten. Der Flaschenhalseffekt ist somit ein eindringlicher Beleg dafür, wie schnell und nachhaltig menschliche Aktivitäten und Naturereignisse die evolutionäre Trajektorie einer Art beeinflussen können.