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Gendrift

Biologie

Gendrift, auch als genetische Drift bekannt, ist ein zentraler Mechanismus der Evolution und beschreibt zufällige, nicht-gerichtete Veränderungen der Allelfrequenzen innerhalb einer Population von Generation zu Generation. Im Gegensatz zur natürlichen Selektion, die auf adaptiven Vorteilen beruht, ist Gendrift ein rein stochastischer Prozess, der insbesondere in kleinen Populationen eine signifikante Rolle spielt. Diese zufälligen Schwankungen entstehen durch Stichprobenfehler bei der Weitergabe von Allelen von Eltern an Nachkommen, da nicht alle Individuen einer Population gleichermaßen zur nächsten Generation beitragen und nicht alle vorhandenen Allele in den Gameten repräsentiert sind, die tatsächlich zur Befruchtung führen.


Der grundlegende Mechanismus der Gendrift lässt sich am besten mit einem Münzwurf vergleichen: Obwohl die Wahrscheinlichkeit für Kopf oder Zahl jeweils 50% beträgt, wird bei einer kleinen Anzahl von Würfen selten genau ein 50:50-Verhältnis erreicht. Übertragen auf die Genetik bedeutet dies, dass bei einer kleinen Anzahl von Nachkommen zufällig bestimmte Allele häufiger oder seltener weitergegeben werden, selbst wenn sie keinen selektiven Vorteil oder Nachteil besitzen. Die Stärke der Gendrift ist umgekehrt proportional zur Populationsgröße. In sehr großen Populationen tendieren die Allelfrequenzen dazu, stabil zu bleiben, da die zufälligen Schwankungen sich über viele Individuen hinweg ausmitteln. In kleinen Populationen hingegen können schon geringe Zufallsereignisse drastische Änderungen in den Allelfrequenzen verursachen, bis hin zum vollständigen Verlust oder zur Fixierung eines Allels.


Eine der wichtigsten Konsequenzen der Gendrift ist der Verlust genetischer Variation innerhalb einer Population. Wenn Allele zufällig verloren gehen oder fixiert werden (d.h. ihre Frequenz 100% erreicht), reduziert sich die genetische Vielfalt. Dies kann die Anpassungsfähigkeit einer Population an veränderte Umweltbedingungen beeinträchtigen, da weniger genetische Optionen für die natürliche Selektion zur Verfügung stehen. Insbesondere seltene Allele sind durch Gendrift extrem anfällig für den vollständigen Verlust, selbst wenn sie potenziell vorteilhaft sein könnten. Dieser Verlust von Heterozygotie ist ein charakteristisches Merkmal von Populationen, die starker Gendrift ausgesetzt waren.


Zwei prominente Beispiele für Gendrift sind der Flaschenhalseffekt und der Gründereffekt. Der Flaschenhalseffekt tritt auf, wenn eine Population durch ein katastrophales Ereignis (z.B. Naturkatastrophe, Krankheit, menschliche Eingriffe) drastisch in ihrer Größe reduziert wird. Die überlebenden Individuen repräsentieren nur einen zufälligen, meist kleinen Ausschnitt der ursprünglichen genetischen Vielfalt. Die Population, die sich aus diesen Überlebenden entwickelt, weist eine deutlich geringere genetische Variabilität auf als die Ausgangspopulation. Der Gründereffekt ist eine spezielle Form des Flaschenhalseffekts, bei dem eine kleine Gruppe von Individuen eine neue Population an einem neuen Ort gründet. Die genetische Zusammensetzung dieser Gründergruppe ist oft nicht repräsentativ für die Ursprungspopulation, was zu einer einzigartigen Allelfrequenzverteilung und reduzierten Diversität in der neuen Population führt.


Obwohl Gendrift und natürliche Selektion beide treibende Kräfte der Evolution sind, unterscheiden sie sich grundlegend in ihrer Wirkungsweise. Natürliche Selektion ist gerichtet und führt zur Anpassung von Populationen an ihre Umwelt, indem vorteilhafte Allele begünstigt werden. Gendrift hingegen ist ungerichtet und kann dazu führen, dass sowohl vorteilhafte als auch neutrale oder sogar leicht nachteilige Allele zufällig häufiger werden oder verloren gehen. In kleinen Populationen kann die Gendrift die Wirkung der natürlichen Selektion überlagern oder sogar aufheben. Sie ist ein wichtiger Faktor für die Entstehung von Unterschieden zwischen geographisch getrennten Populationen, selbst wenn keine selektiven Unterschiede in den Umwelten vorliegen. Zusammen mit Mutation, Genfluss und natürlicher Selektion trägt Gendrift zur Gesamtvariabilität und Dynamik evolutionärer Prozesse bei und ist entscheidend für die Gestaltung der genetischen Landschaft von Arten.

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