Die Gletscherschmelze bezeichnet den Prozess des Massenverlusts von Gletschern und Eisschilden, der primär durch erhöhte Temperaturen und veränderte Niederschlagsmuster verursacht wird. Während Gletscher natürlicherweise dynamische Systeme sind, die Phasen des Wachstums und des Rückzugs durchlaufen, hat sich die Geschwindigkeit des Abschmelzens seit dem Beginn der Industrialisierung dramatisch beschleunigt. Dieser beschleunigte Prozess ist eng mit dem globalen Klimawandel verknüpft, der hauptsächlich durch anthropogene Emissionen von Treibhausgasen angetrieben wird. Die kontinuierliche Erwärmung der Atmosphäre und der Ozeane führt dazu, dass mehr Eis schmilzt, als durch Schneefall akkumuliert werden kann, wodurch die Gletscherbilanz negativ wird und sie an Volumen verlieren.
Die Hauptursache der aktuellen Gletscherschmelze ist die globale Erwärmung. Steigende Lufttemperaturen führen zu einer direkten Erhöhung der Schmelzraten an der Oberfläche der Gletscher. Darüber hinaus spielt die Albedo, das Rückstrahlvermögen von Oberflächen, eine entscheidende Rolle. Wenn Schnee und Eis schmelzen, legen sie dunklere Oberflächen wie Fels oder Wasser frei, die weniger Sonnenlicht reflektieren und stattdessen mehr Wärme absorbieren. Dies verstärkt den Erwärmungseffekt und beschleunigt das Schmelzen weiter, ein Phänomen, das als Eis-Albedo-Rückkopplung bekannt ist. Auch schwarzer Kohlenstoff (Ruß) aus Verbrennungsprozessen kann sich auf Eis ablagern, dessen Albedo senken und die Schmelze beschleunigen. In Küstengebieten und bei Gletschern, die ins Meer münden, führt zudem die Erwärmung der Ozeane zu einem beschleunigten Kalben und Schmelzen von unten.
Eine der gravierendsten Folgen der Gletscherschmelze ist der Anstieg des globalen Meeresspiegels. Geschmolzenes Gletschereis fließt als Süßwasser in die Ozeane und trägt direkt zu deren Volumenwachstum bei. Dies bedroht Küstenregionen weltweit durch erhöhte Überflutungsgefahr, Erosion und das Eindringen von Salzwasser in Süßwasserreserven. Gleichzeitig sind Gletscher in vielen Regionen, insbesondere in Gebirgsregionen wie den Anden, dem Himalaya oder den Alpen, wichtige Süßwasserspeicher. Sie speisen Flüsse und liefern Trinkwasser, Bewässerungswasser und Energie für Wasserkraftwerke, besonders in Trockenperioden. Ihr Rückzug führt langfristig zu einer Verringerung der Wasserverfügbarkeit, was Dürren verschärfen und Konflikte um Ressourcen auslösen kann, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten, die von Gletscherschmelzwasser abhängen.
Die Gletscherschmelze hat weitreichende Auswirkungen auf Ökosysteme. Spezialisierte Gletscher- und Kaltwasserlebensräume gehen verloren, was die Artenvielfalt gefährdet. Die Veränderung des Abflussverhaltens von Flüssen beeinflusst aquatische Ökosysteme stromabwärts. Geologisch gesehen führt der Rückzug von Gletschern zur Destabilisierung von Berghängen, da das stützende Eis verschwindet. Dies erhöht das Risiko von Erdrutschen, Murgängen und Felsstürzen, insbesondere in alpinen Regionen. Die Bildung von Gletscherrandseen, die durch Schmelzwasser entstehen und oft durch instabile Moränenwälle gestaut werden, birgt zudem die Gefahr von plötzlichen Ausbrüchen (GLOFs – Glacial Lake Outburst Floods), die verheerende Flutwellen verursachen können.
Das Phänomen der Gletscherschmelze ist global zu beobachten, von den Polregionen bis zu den tropischen Anden. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Eisverlustes variieren regional, sind aber in den meisten Gebieten besorgniserregend. Wissenschaftliche Prognosen zeigen, dass selbst bei einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C viele Gletscher weiterhin erheblich an Masse verlieren werden, einige kleinere Gletscher könnten sogar vollständig verschwinden. Die vollständige Stabilisierung der Gletscher würde eine deutliche und nachhaltige Reduzierung der globalen Treibhausgasemissionen erfordern, um die Erwärmung zu stoppen und potenziell sogar rückgängig zu machen. Die Gletscherschmelze dient als ein prominenter Indikator für den Zustand des Klimasystems und unterstreicht die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Anpassung an und zur Minderung des Klimawandels.