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Horizontaler Gentransfer

Biologie

Der horizontale Gentransfer (HGT), auch lateraler Gentransfer genannt, bezeichnet die Übertragung von genetischem Material zwischen Organismen, die nicht in einer direkten Abstammungslinie stehen. Im Gegensatz zum vertikalen Gentransfer, bei dem genetische Informationen von einer Elterngeneration auf ihre Nachkommen weitergegeben werden, erfolgt der HGT zwischen bereits existierenden, oft nicht verwandten Individuen. Dieses Phänomen ist ein fundamentaler Prozess in der Evolution des Lebens, insbesondere bei Prokaryoten, spielt aber auch bei Eukaryoten eine Rolle. Es ermöglicht einen schnellen Austausch von Anpassungsmerkmalen und ist ein wichtiger Motor für die Diversität und Anpassungsfähigkeit von Populationen an neue Umweltbedingungen.


Bei Prokaryoten, also Bakterien und Archaeen, sind drei Hauptmechanismen des horizontalen Gentransfers bekannt: Transformation, Transduktion und Konjugation. Bei der Transformation nehmen Zellen freie DNA aus ihrer Umgebung auf, die beispielsweise von abgestorbenen Zellen freigesetzt wurde. Diese freie DNA kann dann in das Genom der aufnehmenden Zelle integriert werden. Transduktion hingegen ist die Übertragung von genetischem Material durch Bakteriophagen, Viren, die Bakterien infizieren. Während des Replikationszyklus eines Phagen kann es vorkommen, dass bakterielle DNA fälschlicherweise in die Viruskapsel verpackt wird und bei der Infektion einer neuen Zelle übertragen wird. Konjugation ist der direkteste Mechanismus, bei dem genetisches Material, oft in Form von Plasmiden, über eine direkte Zell-zu-Zell-Verbindung, den sogenannten Pili, von einer Spenderzelle auf eine Empfängerzelle übertragen wird.


Die evolutionäre Bedeutung des horizontalen Gentransfers ist immens. Er ermöglicht es Organismen, schnell neue genetische Eigenschaften zu erwerben, ohne auf die langwierigen Prozesse der Mutation und der vertikalen Vererbung warten zu müssen. Dies ist besonders relevant für die schnelle Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen unter Bakterien. Gene, die Resistenz gegen bestimmte Antibiotika vermitteln, können durch HGT rasch zwischen verschiedenen Bakterienarten und -stämmen ausgetauscht werden, was die Entwicklung multiresistenter Keime fördert und eine große Herausforderung für die Medizin darstellt. Ähnlich können Virulenzfaktoren, die die Pathogenität eines Mikroorganismus erhöhen, horizontal übertragen werden.


Obwohl der horizontale Gentransfer primär mit Prokaryoten assoziiert wird, gibt es auch Belege für sein Vorkommen bei Eukaryoten, wenn auch in geringerem Umfang und durch andere Mechanismen. Beispiele hierfür sind die Übertragung von Genen von Bakterien oder Viren auf höhere Organismen, die Integration von mitochondrialer oder chloroplastischer DNA in das Kernchromosom oder die Übertragung von Genen zwischen Pflanzen durch Parasiten oder Vektoren. In der Biotechnologie wird der horizontale Gentransfer auch gezielt genutzt, beispielsweise bei der Erzeugung transgener Organismen, wo fremde Gene in das Genom einer Zielorganismus eingeführt werden, um bestimmte Eigenschaften zu verleihen. Das Verständnis des HGT ist daher nicht nur für die Grundlagenforschung in der Biologie von entscheidender Bedeutung, sondern hat auch weitreichende Implikationen für die Medizin, Landwirtschaft und Umweltbiotechnologie.

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