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Hundsche Regeln

Quantenchemie

Die Hundschen Regeln, benannt nach dem deutschen Physiker Friedrich Hund, sind grundlegende Prinzipien der Atomphysik und Quantenchemie, die die Elektronenkonfiguration von Atomen und Molekülen in ihrem Grundzustand beschreiben. Sie geben an, wie Elektronen Orbitale innerhalb einer Unterschale besetzen, um den energetisch günstigsten Zustand zu erreichen. Diese Regeln sind entscheidend für das Verständnis der chemischen Eigenschaften von Elementen, ihrer spektralen Signaturen und ihrer magnetischen Eigenschaften.


Die erste und bekannteste der Hundschen Regeln, oft als Regel der maximalen Multiplizität bezeichnet, besagt, dass Elektronen Orbitale innerhalb einer Unterschale (z.B. p-Orbitale, d-Orbitale) zuerst einzeln und mit parallelem Spin besetzen, bevor sie sich in einem Orbital paaren. Das bedeutet, dass die Anzahl der ungepaarten Elektronen maximiert wird. Dies ist energetisch günstiger, da Elektronen mit parallelem Spin eine geringere Coulomb-Abstoßung erfahren, da sie sich aufgrund des Pauli-Prinzips nicht am gleichen Ort aufhalten können. Zudem führt eine Maximierung des Gesamtspins zu einer größeren Austauschkorrelation, die die Energie des Systems senkt. Dieser Zustand maximaler Spin-Multiplizität ist der Grundzustand.


Die zweite Hundsche Regel besagt, dass unter Zuständen mit der gleichen maximalen Multiplizität derjenige Zustand die niedrigste Energie besitzt, der den größten Gesamtbahndrehimpuls L aufweist. Der Gesamtbahndrehimpuls L ist die Summe der Bahndrehimpulse der einzelnen Elektronen. Diese Regel berücksichtigt die Wechselwirkung zwischen den Bahnbewegungen der Elektronen. Eine höhere Symmetrie der Elektronenverteilung, die oft mit einem größeren L einhergeht, kann zu einer weiteren Absenkung der Energie führen.


Die dritte Hundsche Regel befasst sich mit dem Gesamtgesamtdrehimpuls J, der sich aus der Kopplung des Gesamtspin-Drehimpulses S und des Gesamtbahndrehimpulses L ergibt. Sie besagt, dass für eine Unterschale, die weniger als halb gefüllt ist, der Zustand mit dem kleinsten J die niedrigste Energie hat. Ist die Unterschale jedoch mehr als halb gefüllt, so hat der Zustand mit dem größten J die niedrigste Energie. Bei einer exakt halb gefüllten Unterschale gibt es nur einen möglichen J-Wert. Diese Regel berücksichtigt die Spin-Bahn-Kopplung, eine relativistische Wechselwirkung zwischen dem Spin- und dem Bahndrehimpuls der Elektronen, die für die Feinstruktur von Spektrallinien verantwortlich ist.


Friedrich Hund veröffentlichte diese Regeln in den Jahren 1925 und 1927 und leistete damit einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis der elektronischen Struktur von Atomen. Die Hundschen Regeln sind eng mit dem Pauli-Prinzip und dem Aufbauprinzip (Klempkowskische Regel) verbunden, die ebenfalls die Besetzung von Orbitalen regeln. Während das Pauli-Prinzip besagt, dass keine zwei Elektronen in einem Atom in allen Quantenzahlen übereinstimmen dürfen, und das Aufbauprinzip die Reihenfolge der Besetzung von Orbitalen nach steigender Energie vorgibt, präzisieren die Hundschen Regeln die Verteilung der Elektronen innerhalb einer Unterschale.


Die praktische Bedeutung der Hundschen Regeln ist enorm. Sie ermöglichen die korrekte Vorhersage der Elektronenkonfiguration von Atomen im Grundzustand, was wiederum Rückschlüsse auf ihre chemische Reaktivität, Bindungsverhalten und magnetischen Eigenschaften zulässt. Atome mit ungepaarten Elektronen sind paramagnetisch und werden von einem äußeren Magnetfeld angezogen, während Atome ohne ungepaarte Elektronen diamagnetisch sind. In der Spektroskopie helfen die Regeln bei der Interpretation von Atomspektren und der Zuordnung von Energiezuständen. Auch in der Festkörperphysik und Materialwissenschaft sind sie relevant, beispielsweise für das Verständnis des Magnetismus in Übergangsmetallen. Trotz ihrer Einfachheit bieten die Hundschen Regeln eine robuste Grundlage für das Verständnis komplexer quantenmechanischer Systeme.

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