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Intentionalität

Philosophie

Die Intentionalität ist ein zentrales und vielschichtiges Konzept in der Philosophie, insbesondere in der Phänomenologie und der Philosophie des Geistes. Sie beschreibt die grundlegende Eigenschaft mentaler Zustände – wie Denken, Wahrnehmen, Wünschen oder Glauben –, auf etwas gerichtet zu sein oder sich auf etwas zu beziehen. Anders ausgedrückt: Wenn wir etwas denken, denken wir immer *etwas*; wenn wir etwas wahrnehmen, nehmen wir immer *etwas* wahr. Dieses "Auf-etwas-Gerichtet-Sein" ist das definierende Merkmal der Intentionalität. Der Begriff wurde maßgeblich von dem Philosophen Franz Brentano im 19. Jahrhundert wiederbelebt und als Kriterium zur Unterscheidung psychischer von physischen Phänomenen etabliert.


Brentano postulierte, dass alle psychischen Phänomene durch das gekennzeichnet sind, was er "intentionale Inexistenz" nannte. Damit meinte er, dass in jedem mentalen Akt ein Objekt – sei es real oder imaginär – enthalten ist oder auf es bezogen wird, auch wenn dieses Objekt außerhalb des Geistes existiert. Ein psychischer Akt ist immer „von etwas“ oder „auf etwas gerichtet“, wohingegen physische Phänomene diese Gerichtetheit nicht aufweisen. Ein Stein ist einfach ein Stein; er ist nicht *über* etwas. Diese intrinsische Gerichtetheit des Geistes auf einen Gegenstand oder Sachverhalt ist die Essenz der Brentanoschen Intentionalität und bildet die Brücke zwischen dem Subjekt und der Welt.


Edmund Husserl, der Begründer der Phänomenologie, übernahm Brentanos Konzept der Intentionalität und entwickelte es systematisch weiter zu einem Fundament seiner Philosophie. Für Husserl ist Intentionalität nicht nur eine Eigenschaft psychischer Akte, sondern das Wesen des Bewusstseins selbst. Bewusstsein ist immer Bewusstsein *von* etwas. Er unterschied dabei zwischen der Noesis (dem intentionalen Akt des Bewusstseins, z.B. das Sehen) und dem Noema (dem intentionalen Gegenstand, dem Gesehenen, so wie es in diesem Akt erscheint). Das Noema ist nicht der reale Gegenstand an sich, sondern der Gegenstand, wie er sich dem Bewusstsein präsentiert, mit all seinen Bedeutungs- und Erscheinungsaspekten. Diese Unterscheidung ermöglichte Husserl eine detaillierte Analyse der Struktur bewusster Erfahrung, ohne sich auf die Existenz oder Nichtexistenz externer Objekte festlegen zu müssen.


In der analytischen Philosophie des Geistes wurde das Konzept der Intentionalität ebenfalls aufgegriffen und präzisiert, oft im Zusammenhang mit der Frage, wie mentale Zustände Bedeutung tragen oder sich auf die Welt beziehen können. Philosophen wie John Searle haben Intentionalität als die Eigenschaft bestimmter mentaler Zustände (wie Überzeugungen, Wünsche, Absichten) definiert, sich auf Sachverhalte in der Welt zu beziehen und "Bedingungen der Erfüllung" (conditions of satisfaction) zu haben. Eine Überzeugung ist wahr, wenn die Welt so ist, wie die Überzeugung es darstellt; ein Wunsch ist erfüllt, wenn die Welt so wird, wie der Wunsch es fordert. Searle unterscheidet zudem zwischen "intrinsischer" oder "ursprünglicher" Intentionalität (die dem Geist eigen ist) und "derivierter" Intentionalität (die zum Beispiel sprachlichen Ausdrücken zukommt, weil sie von intentionalen Wesen verwendet werden, um etwas zu bedeuten).


Die Bedeutung der Intentionalität reicht über die reine Beschreibung mentaler Phänomene hinaus. Sie ist entscheidend für das Verständnis von Sprache, da Wörter und Sätze erst durch die intentionalen Akte der Sprecher und Hörer Bedeutung erhalten und sich auf Dinge in der Welt beziehen können. Auch in der Erkenntnistheorie spielt sie eine Rolle, indem sie erklärt, wie unser Wissen über die Welt strukturiert ist und wie wir Objekte und Sachverhalte erfassen. In der Ethik wird die Intentionalität relevant, wenn es um die Absicht hinter einer Handlung geht, die oft entscheidend für die moralische Bewertung ist.


Zusammenfassend ist die Intentionalität ein grundlegendes Konzept, das die einzigartige Beziehung zwischen dem menschlichen Geist und der Welt beschreibt. Sie erklärt, wie unser Bewusstsein nicht passiv ist, sondern aktiv auf Objekte und Sachverhalte ausgerichtet ist, ihnen Bedeutung verleiht und sich auf sie bezieht. Die anhaltende Relevanz des Begriffs in verschiedenen philosophischen Disziplinen unterstreicht seine zentrale Rolle für das Verständnis des Geistes, des Wissens und der menschlichen Erfahrung.

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