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Lennard-Jones-Potential

Physik

Das Lennard-Jones-Potential, oft auch als LJ-Potential bezeichnet, ist ein semi-empirisches Potentialmodell, das die Wechselwirkungsenergie zwischen zwei neutralen Atomen oder Molekülen als Funktion ihres Abstandes beschreibt. Es ist eines der am häufigsten verwendeten Potentiale in der Molekulardynamik und der statistischen Mechanik, da es eine gute Näherung für die intermolekularen Kräfte in vielen Systemen liefert, insbesondere für Edelgase und unpolare Moleküle. Das Potential ist nach dem britischen Physiker John Lennard-Jones benannt, der es 1924 vorschlug.


Die mathematische Form des Lennard-Jones-Potentials ist typischerweise als V(r) = 4ε[(σ/r)^12 - (σ/r)^6] gegeben, wobei r der Abstand zwischen den Zentren der beiden Teilchen ist. Der erste Term, proportional zu r^-12, beschreibt die kurzreichweitige Abstoßung, die hauptsächlich durch das Pauli-Prinzip und die Überlappung der Elektronenwolken bei sehr geringen Abständen verursacht wird. Dieser Term steigt sehr schnell an, wenn die Teilchen sich annähern, was die Unmöglichkeit des Eindringens in die Elektronenwolken des anderen Teilchens widerspiegelt.


Der zweite Term, proportional zu r^-6, repräsentiert die langreichweitige Anziehung. Diese attraktiven Kräfte sind in erster Linie Van-der-Waals-Kräfte, speziell die London-Dispersionskräfte, die durch instantane Dipole und deren Induktion in benachbarten Atomen entstehen. Diese Kräfte sind immer attraktiv und nehmen mit zunehmendem Abstand relativ langsam ab. Die Parameter ε (Epsilon) und σ (Sigma) sind entscheidend für die Charakterisierung des Potentials. ε stellt die Tiefe der Potentialmulde dar, also die maximale Anziehungsenergie zwischen den Teilchen, und σ ist der Abstand, bei dem die potentielle Energie null ist. Der Gleichgewichtsabstand, bei dem die Kraft null ist und die Energie minimal ist, liegt bei r_min = 2^(1/6)σ.


Das Lennard-Jones-Potential findet breite Anwendung in Computersimulationen, wie der Molekulardynamik und Monte-Carlo-Simulationen, um das Verhalten von Flüssigkeiten, Gasen und Festkörpern zu modellieren. Es ermöglicht die Berechnung von thermodynamischen Eigenschaften, wie dem Druck und der Energie, sowie dynamischen Eigenschaften, wie der Diffusion und der Viskosität, von Systemen, die aus einer Vielzahl interagierender Teilchen bestehen. Trotz seiner Vereinfachung, da es keine Richtungsabhängigkeit oder Ladungseffekte berücksichtigt, bleibt es ein wertvolles Werkzeug für das Verständnis grundlegender intermolekularer Wechselwirkungen.


Obwohl das Lennard-Jones-Potential sehr nützlich ist, hat es auch Einschränkungen. Es ist ein paarweises Potential, was bedeutet, dass es nur die Wechselwirkung zwischen zwei Teilchen gleichzeitig berücksichtigt und Mehrkörperwechselwirkungen vernachlässigt. Außerdem ist der r^-12-Term für die Abstoßung eher eine mathematische Bequemlichkeit als eine physikalisch exakte Beschreibung; andere Funktionen, wie exponentielle Terme, wären physikalisch genauer, aber rechenintensiver. Dennoch bietet es einen hervorragenden Kompromiss zwischen Genauigkeit und rechnerischer Effizienz, was seine anhaltende Beliebtheit in vielen Bereichen der physikalischen Chemie und Materialwissenschaft erklärt.

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