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Modernisme

Kunstgeschichte

Der Modernisme ist die spezifische katalanische Ausprägung des europäischen Jugendstils (Art Nouveau), die sich hauptsächlich zwischen 1888 und 1911 entwickelte und in Katalonien, insbesondere in Barcelona, ihren Höhepunkt erreichte. Er ist nicht nur ein architektonischer oder künstlerischer Stil, sondern eine umfassende kulturelle und intellektuelle Bewegung, die tief in der katalanischen Identität und dem Streben nach nationaler Wiederbelebung, der sogenannten Renaixença, verwurzelt war. Die Bewegung suchte nach einer Modernisierung der Gesellschaft und Kunst, ohne dabei die lokalen Traditionen und das Handwerk zu vernachlässigen. Sie stand im Kontrast zum konservativen Establishment und strebte danach, eine eigene, unverwechselbare katalanische Kultur zu schaffen, die sowohl modern als auch traditionsbewusst war.


Charakteristisch für den Modernisme ist die Abkehr von historisierenden Stilen und die Hinwendung zu organischen, fließenden Formen, die oft von der Natur inspiriert sind. Florale Motive, geschwungene Linien, Tier- und Pflanzenornamente sowie mythologische Symbole finden sich in fast allen Kunstgattungen wieder. Ein zentrales Merkmal ist die Gesamtkunstwerk-Idee, bei der Architektur, Innenarchitektur, Möbeldesign, Skulptur, Malerei und angewandte Kunst zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen. Die Verwendung neuer Materialien wie Eisen und Beton wurde geschickt mit traditionellen Handwerkstechniken wie Keramik, Glasmalerei, Mosaik und Schmiedeeisen kombiniert, was zu einer außergewöhnlichen Detailverliebtheit und handwerklichen Qualität führte.


Die architektonische Ausprägung des Modernisme ist die bekannteste und sichtbarste. Baumeister wie Antoni Gaudí, Lluís Domènech i Montaner und Josep Puig i Cadafalch schufen ikonische Gebäude, die bis heute das Stadtbild Barcelonas prägen. Gaudís Werke, darunter die Sagrada Família, die Casa Batlló und der Parc Güell, zeichnen sich durch ihre kühne Formensprache, innovative Bautechniken und eine fast surreale Ästhetik aus. Domènech i Montaner ist bekannt für den Palau de la Música Catalana und das Hospital de Sant Pau, die durch ihre reiche Ornamentik, farbigen Mosaike und die Integration von Skulpturen beeindrucken. Puig i Cadafalchs Stil war oft etwas konservativer, aber dennoch geprägt von der charakteristischen Modernisme-Ästhetik, wie man am Casa Amatller sehen kann.


Neben der Architektur manifestierte sich der Modernisme auch in der Malerei, Skulptur, Literatur und Musik. Maler wie Ramon Casas und Santiago Rusiñol, die oft das bürgerliche Leben und die Landschaften Kataloniens darstellten, waren wichtige Vertreter. In der Literatur förderte der Modernisme eine Erneuerung der katalanischen Sprache und eine Hinwendung zu symbolistischen und dekadenten Themen. Die Bewegung beeinflusste auch die Möbelherstellung, Schmuckdesign und die Plakatkunst, die neue Standards für Ästhetik und Funktionalität setzte.


Der Modernisme war eng mit der aufstrebenden katalanischen Bourgeoisie verbunden, die in den Werken der Modernisten einen Ausdruck ihres Reichtums, ihres kulturellen Anspruchs und ihrer nationalen Identität sah. Viele der prächtigsten Gebäude waren Auftragsarbeiten wohlhabender Familien. Gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts begann der Modernisme an Bedeutung zu verlieren und wurde allmählich vom Noucentisme abgelöst, einer Bewegung, die eine Rückkehr zu klassischeren, rationaleren und mediterran inspirierten Formen anstrebte. Dennoch bleibt der Modernisme ein entscheidender Meilenstein in der katalanischen Kunst- und Kulturgeschichte und ein Beweis für eine einzigartige kreative Blütezeit, deren Erbe bis heute lebendig ist und viele Besucher anzieht.

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