Das Konzept des Multiversums postuliert die Existenz von mehr als nur unserem einen Universum. Es ist keine einzelne Theorie, sondern ein Sammelbegriff für verschiedene Hypothesen, die alle davon ausgehen, dass unser beobachtbares Universum nur ein Teil einer viel größeren, möglicherweise unendlichen Ansammlung von Universen ist. Diese Ideen reichen von wissenschaftlichen Modellen, die auf den Gesetzen der Physik basieren, bis hin zu spekulativeren philosophischen Überlegungen. Die Motivation für die Erforschung des Multiversums entspringt oft der Suche nach Erklärungen für bestimmte kosmologische Phänomene oder der Interpretation von Quantenmechanik.
Eine der bekanntesten Klassifikationen stammt vom Physiker Max Tegmark, der vier verschiedene Ebenen eines Multiversums unterscheidet. Die erste Ebene, das Level I Multiversum, ergibt sich aus der Annahme eines unendlichen Raumes. Wenn der Raum unendlich ist und Materie sich über ihn hinweg verteilt, müssen sich identische Regionen – und damit auch identische „Hubble-Volumen“ oder sogar exakte Kopien unseres Universums – irgendwann wiederholen. Da unser beobachtbares Universum endlich ist, gibt es unendlich viele solcher Hubble-Volumen außerhalb unseres Horizonts.
Das Level II Multiversum, oft als „Blasenuniversen“ oder „Pocket Universes“ bezeichnet, entsteht typischerweise aus der Theorie der ewigen Inflation. Nach dieser Theorie ist die kosmische Inflation, die das frühe Universum extrem schnell ausdehnte, in einigen Regionen nie vollständig zum Stillstand gekommen. Stattdessen bläht sie sich in einem ewigen Prozess weiter auf, wobei ständig neue „Blasenuniversen“ entstehen. Jedes dieser Blasenuniversen könnte unterschiedliche physikalische Konstanten, Dimensionen oder Naturgesetze aufweisen, was die große Vielfalt an möglichen Universen erklärt.
Das Level III Multiversum basiert auf der Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik. Diese Interpretation besagt, dass jede quantenmechanische Messung oder Entscheidung, die mehrere mögliche Ausgänge hat, nicht nur zu einem Ergebnis führt, sondern das Universum in so viele parallele Zweige aufspaltet, wie es mögliche Ergebnisse gibt. In jedem dieser Zweige wird eine andere Möglichkeit realisiert. Dies impliziert, dass es unendlich viele parallele Universen gibt, die alle koexistieren und in denen jede erdenkliche Möglichkeit in irgendeiner Form realisiert wird.
Die vierte und spekulativste Ebene, das Level IV Multiversum, postuliert die Existenz aller mathematisch möglichen Strukturen als eigene Universen. Nach dieser Idee ist jede konsistente mathematische Struktur ein Universum für sich. Da mathematische Strukturen abstrakt und zeitlos sind, existieren diese Universen nicht im physikalischen Sinne, sondern als eigenständige Realitäten. Diese Ebene ist eng mit der Idee verbunden, dass die physikalische Realität an sich eine mathematische Struktur ist.
Neben diesen Klassifikationen gibt es weitere Multiversum-Konzepte, wie das Zyklische Universum, in dem unser Universum Teil einer endlosen Abfolge von Urknall- und Urknall-Ereignissen ist, oder die Landschaft der Stringtheorie, die eine riesige Anzahl von möglichen Vakuumzuständen mit unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften vorschlägt, von denen jeder einem eigenen Universum entsprechen könnte.
Obwohl das Konzept des Multiversums in der modernen Physik und Kosmologie breite Diskussionen hervorruft, bleibt es hochspekulativ. Die größte Herausforderung ist die fehlende Möglichkeit, die Existenz anderer Universen direkt zu beobachten oder zu messen. Die meisten Multiversum-Theorien sind derzeit nicht falsifizierbar, was bedeutet, dass sie nicht durch Experimente oder Beobachtungen widerlegt werden können. Dennoch bieten sie faszinierende Perspektiven auf die Natur der Realität und könnten Antworten auf fundamentale Fragen über die Entstehung und Feinabstimmung unseres eigenen Universums liefern.