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Noema

Philosophie

Der Begriff "Noema" (Plural: Noemata) ist ein zentrales Konzept in der transzendentalen Phänomenologie von Edmund Husserl, insbesondere wie er es in seinen "Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie" (Ideen I) entwickelt hat. Das Noema bezeichnet das objektive Korrelat eines intentionalen Bewusstseinsaktes, den Husserl als "Noesis" bezeichnet. Während die Noesis den subjektiven Akt des Meinens oder Erfassens (z.B. das Wahrnehmen, Urteilen, Erinnern) meint, repräsentiert das Noema das, was in diesem Akt gemeint wird, jedoch nicht den transzendenten Gegenstand selbst in seiner vollen Realität. Es ist der "Sinn" oder "Gehalt", der innerhalb des Bewusstseins konstituiert wird und sich dem Bewusstsein als das Gemeinte darstellt.


Es ist entscheidend, das Noema vom realen, externen Gegenstand zu unterscheiden. Das Noema ist nicht der Baum im Garten, sondern vielmehr "der wahrgenommene Baum als wahrgenommen" oder "der erinnerte Baum als erinnert". Es ist die Art und Weise, wie sich der Gegenstand dem Bewusstsein präsentiert oder wie er durch den subjektiven Akt erfasst und konstituiert wird. Husserl beschreibt das Noema als eine komplexe Struktur, die einen "noematischen Kern" (den identischen Gegenstand als solchen) und "noematische Charakteristika" (die spezifischen Bestimmungen oder Weisen, in denen der Gegenstand gegeben ist, z.B. als grün, als fern, als erinnert) umfasst. Diese Charakteristika sind untrennbar mit dem Wahrnehmungsakt verbunden und tragen zum spezifischen Sinn des Gegenstandes für das Bewusstsein bei.


Das Konzept des Noema ist grundlegend für Husserls Theorie der Intentionalität, die besagt, dass Bewusstsein immer Bewusstsein *von etwas* ist. Das Noema ist genau dieses "Etwas", so wie es im Bewusstsein gegeben ist. Durch das Noema erklärt Husserl, wie Bewusstsein sich auf Gegenstände beziehen kann und wie Gegenstände für uns Bedeutung erlangen. Es ist durch die Konstitution von Noemata, dass die Welt, wie wir sie erfahren, innerhalb des Bewusstseins geformt wird. Dieser Konstitutionsprozess ist keine Schöpfung aus dem Nichts, sondern eine strukturierende und sinngebende Aktivität, die Gegenstände zugänglich und verständlich macht. Das Noema überbrückt somit die Kluft zwischen dem subjektiven Akt und der objektiven Welt, wie sie dem Bewusstsein erscheint.


Das Noema wird besonders deutlich durch die phänomenologische Epoché (oder Einklammerung) und die darauf folgende transzendentale Reduktion. Indem die natürliche Einstellung – der Glaube an die unabhängige Existenz der Außenwelt – suspendiert wird, wird das Bewusstsein auf seine eigenen immanenten Strukturen gelenkt. In diesem reduzierten Bereich tritt das Noema als der reine, immanente Gegenstandssinn hervor, entkleidet seiner transzendenten "Gesetztseins". In dieser Sphäre kann die Phänomenologie die wesentlichen Strukturen des Bewusstseins und seiner korrelativen Objekte streng analysieren und aufzeigen, wie Bedeutung konstituiert wird. Das Noema ist somit keine psychologische Entität, sondern eine transzendentale, die zum Bereich des reinen Bewusstseins gehört.


Das Konzept des Noema war in der Philosophie des 20. Jahrhunderts, insbesondere in der Phänomenologie und Hermeneutik, äußerst einflussreich. Es bot einen rigorosen Rahmen für die Analyse der Beziehung zwischen Bewusstsein und seinen Objekten und ging über naiven Realismus und subjektiven Idealismus hinaus. Es wurde jedoch auch verschiedenen Interpretationen und Kritiken unterzogen. Einige Gelehrte betonen seinen quasi-objektiven Charakter, während andere sich auf seine immanente Natur konzentrieren. Kritiker, wie einige post-Husserlsche Phänomenologen, haben die scharfe Unterscheidung zwischen Noesis und Noema in Frage gestellt oder argumentiert, dass Husserls Konzept immer noch zu viel von einem repräsentationalistischen Rahmen beibehält. Dennoch bleibt "Noema" ein Eckpfeiler von Husserls philosophischem System und ein Schlüsselkonzept zum Verständnis des phänomenologischen Zugangs zu Geist und Welt.

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