Polyspermie bezeichnet den biologischen Zustand, bei dem mehr als ein Spermium in das Zytoplasma einer Eizelle eindringt. Normalerweise ist der Prozess der Befruchtung monosperm, was bedeutet, dass nur ein einziges Spermium erfolgreich mit der Eizelle fusioniert und seinen Kern in deren Zytoplasma freisetzt. Das Eindringen mehrerer Spermien, also Polyspermie, ist bei den meisten Tierarten, insbesondere bei Säugetieren, ein pathologischer Zustand, der schwere Entwicklungsstörungen zur Folge hat und in der Regel letal für den entstehenden Embryo ist. Die Hauptursache für die Letalität liegt in der resultierenden Aneuploidie, also einer abnormalen Chromosomenzahl. Jedes eindringende Spermium bringt neben seinem haploiden Chromosomensatz auch ein Zentrosom mit. Bei Polyspermie sind somit mehr als zwei Zentrosomen vorhanden, was zu einer ungleichmäßigen Verteilung der Chromosomen während der ersten Zellteilungen (Mitose) führt. Dies beeinträchtigt die normale Embryonalentwicklung massiv und führt meist zum Absterben des Embryos in sehr frühen Stadien.
Um Polyspermie zu verhindern, haben sich bei vielen Spezies im Laufe der Evolution effiziente Blockademechanismen entwickelt, die als Polyspermieblockade bezeichnet werden. Man unterscheidet hierbei in der Regel zwei Haupttypen: die schnelle Blockade und die langsame Blockade. Die schnelle Blockade ist eine temporäre und unmittelbare Reaktion der Eizelle auf den ersten Spermienkontakt. Sie basiert auf einer raschen Depolarisation der Eizellmembran. Nachdem das erste Spermium die Eizellmembran berührt oder fusioniert, ändert sich das Membranpotential der Eizelle von negativ zu positiv. Diese elektrische Veränderung macht die Eizellmembran für weitere Spermien undurchlässig oder abstoßend, wodurch ein sofortiges Eindringen weiterer Spermien verhindert wird. Dieser Mechanismus ist sehr schnell, aber oft nur von kurzer Dauer und findet sich prominent bei Arten wie Seeigeln, aber nicht bei allen Säugetieren.
Die wichtigere und dauerhaftere Blockade ist die langsame Blockade, auch bekannt als Kortikalreaktion oder Zona-Reaktion bei Säugetieren. Sie wird durch eine intrazelluläre Kalziumfreisetzung in der Eizelle ausgelöst, die unmittelbar nach der Fusion des ersten Spermiums mit der Eizellmembran erfolgt. Diese Kalziumwelle führt zur Fusion von Tausenden kleiner Vesikel, den sogenannten kortikalen Granula, die direkt unter der Eizellmembran liegen, mit der Plasmamembran der Eizelle. Die Granula setzen ihren Inhalt, der verschiedene Enzyme und andere Proteine umfasst, in den perivitellinen Raum frei, den Spalt zwischen der Eizellmembran und der äußeren Hülle (z.B. der Zona pellucida bei Säugetieren oder der Vitellinmembran bei anderen Tieren). Diese freigesetzten Substanzen bewirken mehrere Veränderungen: Sie spalten oder modifizieren Spermienrezeptoren auf der Oberfläche der Eizellhülle, sodass weitere Spermien nicht mehr binden oder eindringen können. Darüber hinaus führen sie zu einer Härtung und Verdickung dieser äußeren Hülle, was ihre Durchlässigkeit für Spermien weiter reduziert und die verbleibenden Spermien von der Eizelle abstößt. Dies ist der primäre und effektivste Mechanismus zur Verhinderung von Polyspermie bei den meisten Tierarten, einschließlich des Menschen.
Interessanterweise ist Polyspermie bei einigen Tierarten ein normaler physiologischer Vorgang, insbesondere bei Vögeln, Reptilien, Haien und einigen Insekten. Bei diesen Arten dringen zwar mehrere Spermien in die Eizelle ein, aber nur einer der Spermienkerne verschmilzt letztendlich mit dem Eizellkern, während die überzähligen Spermienkerne degenerieren. Dies wird als funktionelle Monospermie bezeichnet und ist eine evolutionäre Anpassung, die möglicherweise mit der Größe der Eizellen oder der Art der Befruchtung in diesen Spezies zusammenhängt. Es ist wichtig zu betonen, dass dies eine Ausnahme darstellt und nicht mit der pathologischen Polyspermie bei Säugetieren verwechselt werden darf, bei der das Eindringen mehrerer Spermien fast immer zu einem Entwicklungsversagen führt.
In der Humanmedizin und insbesondere in der assistierten Reproduktion (ART) spielt die Kontrolle der Polyspermie eine entscheidende Rolle. Bei der konventionellen In-vitro-Fertilisation (IVF), bei der Eizellen in einem Kulturmedium mit einer großen Anzahl von Spermien inkubiert werden, kann Polyspermie auftreten, wenn die Eizellen ihre Blockademechanismen nicht vollständig aktivieren oder wenn eine übermäßige Anzahl von Spermien vorhanden ist. Die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), bei der ein einziges Spermium direkt in die Eizelle injiziert wird, wurde entwickelt, um das Risiko von Polyspermie zu minimieren und ist besonders vorteilhaft bei männlicher Unfruchtbarkeit. Das Erkennen von Polyspermie nach der Befruchtung (z.B. durch das Vorhandensein von mehr als zwei Vorkernen in der Zygote) ist ein wichtiger diagnostischer Schritt in der ART, da solche Embryonen in der Regel nicht lebensfähig sind und nicht für den Transfer verwendet werden sollten.