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Rheologie

Materialwissenschaft

Rheologie ist die Wissenschaft, die sich mit dem Fließ- und Deformationsverhalten von Materie unter dem Einfluss von äußeren Kräften befasst. Sie untersucht, wie Materialien auf angelegte Spannungen und Verformungen reagieren, insbesondere wenn sie fließen oder sich plastisch verformen. Im Gegensatz zur reinen Strömungsmechanik, die sich oft mit idealen Flüssigkeiten befasst, konzentriert sich die Rheologie auf die komplexen Eigenschaften realer Materialien, die sowohl flüssige als auch feste Charakteristika aufweisen können. Dies macht sie zu einem interdisziplinären Feld an der Schnittstelle von Physik, Chemie, Materialwissenschaft und Ingenieurwesen.


Ein zentrales Konzept in der Rheologie ist die Viskosität, die den Widerstand eines Fluids gegen das Fließen beschreibt. Während bei Newtonschen Flüssigkeiten die Viskosität konstant ist und nicht von der Schergeschwindigkeit abhängt, zeigen viele reale Materialien ein nicht-Newtonsches Verhalten. Dazu gehören scherverdünnende (pseudoplastische) Flüssigkeiten, deren Viskosität mit zunehmender Schergeschwindigkeit abnimmt (z.B. Farben, Ketchup), und scherverdickende (dilatante) Flüssigkeiten, bei denen die Viskosität zunimmt (z.B. Stärkelsuspensionen). Neben der Viskosität spielt auch die Elastizität eine wichtige Rolle, insbesondere bei Festkörpern. Viele Materialien zeigen jedoch ein viskoelastisches Verhalten, eine Kombination aus viskosen und elastischen Eigenschaften. Sie können sich sowohl permanent verformen (fließen) als auch Energie speichern und zurückgeben (elastische Rückfederung), abhängig von der angelegten Belastung und der Zeit.


Die Klassifizierung rheologischer Verhaltensweisen ist vielfältig. Neben den bereits genannten Newtonschen und nicht-Newtonschen Flüssigkeiten gibt es auch Materialien mit Fließgrenze, wie Bingham-Fluide, die erst ab einer bestimmten Mindestspannung zu fließen beginnen (z.B. Zahnpasta, Mayonnaise). Thixotrope Materialien zeigen eine zeitabhängige Abnahme der Viskosität unter Scherung, die sich nach Beendigung der Scherung allmählich wieder aufbaut, während rheopexe Materialien das entgegengesetzte Verhalten aufweisen. Diese Zeitabhängigkeit ist entscheidend für viele Anwendungen, da das Materialverhalten nicht nur von der angelegten Kraft, sondern auch von der Dauer und der Vorgeschichte der Beanspruchung abhängt.


Die Bedeutung der Rheologie erstreckt sich über eine Vielzahl von Industrien. In der Lebensmittelindustrie ist sie entscheidend für die Textur, das Mundgefühl und die Verarbeitbarkeit von Produkten wie Joghurt, Schokolade oder Saucen. In der Kosmetik- und Pharmaindustrie beeinflusst sie die Streichfähigkeit von Cremes, die Stabilität von Emulsionen und die Freisetzung von Wirkstoffen. Bei Polymeren ist die Rheologie entscheidend für Spritzgussprozesse, Extrusion und Faserherstellung. Auch in der Bauindustrie (Beton, Mörtel), in der Farben- und Lackindustrie (Auftragsverhalten, Verlauf) und in der Öl- und Gasförderung (Bohrschlämme) spielt das Fließverhalten eine zentrale Rolle. Das Verständnis und die Kontrolle dieser Eigenschaften ermöglichen die Entwicklung neuer Produkte, die Optimierung von Fertigungsprozessen und die Sicherstellung der Produktqualität.


Zur Charakterisierung rheologischer Eigenschaften werden spezielle Messgeräte, sogenannte Rheometer, eingesetzt. Rotationsrheometer messen das Drehmoment, das erforderlich ist, um eine Probe bei einer bestimmten Schergeschwindigkeit zu verformen, oder die Verformung unter einem konstanten Drehmoment. Kapillarrheometer bestimmen die Viskosität durch Messung des Druckabfalls beim Fließen einer Probe durch eine enge Kapillare. Oszillationsrheometer werden verwendet, um viskoelastische Eigenschaften zu untersuchen, indem sie die Probe einer sinusförmigen Scherung aussetzen und die Phasenverschiebung und Amplitude der resultierenden Spannung messen. Diese Messungen liefern wichtige Daten über die Struktur, die molekulare Wechselwirkung und das makroskopische Verhalten von Materialien.

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