Subjektivität bezeichnet die Eigenschaft oder den Zustand, der von der individuellen Perspektive, den persönlichen Erfahrungen, Gefühlen, Meinungen und Interpretationen eines Subjekts abhängt. Sie unterscheidet sich fundamental von der Objektivität, die sich auf eine von persönlichen Einflüssen unabhängige, allgemeingültige und überprüfbare Realität bezieht. Während Objektivität das Ziel wissenschaftlicher Erkenntnis ist, bildet Subjektivität die Grundlage menschlichen Erlebens und Verstehens. Jedes Individuum konstruiert seine eigene Weltansicht durch die Filter seiner Sinneswahrnehmungen, seines Geistes und seiner kulturellen Prägung, was zu einer einzigartigen und nicht vollständig übertragbaren Wirklichkeit führt.
Die philosophische Auseinandersetzung mit der Subjektivität hat tiefe Wurzeln. René Descartes' berühmter Ausspruch "Cogito, ergo sum" (Ich denke, also bin ich) legte den Grundstein für die Betonung des denkenden Subjekts als unbezweifelbare Erkenntnisgrundlage. Er etablierte das Ich als Ausgangspunkt für philosophisches Denken, losgelöst von der äußeren Welt. Immanuel Kant führte die Subjektivität in die Erkenntnistheorie ein, indem er argumentierte, dass unsere Erkenntnis der Welt nicht nur durch äußere Reize, sondern auch durch die apriorischen Formen unserer Anschauung (Raum und Zeit) und die Kategorien unseres Verstandes strukturiert wird. Für Kant ist die Welt, wie wir sie erfahren, immer schon eine durch unsere Subjektivität geformte Welt, nicht die "Dinge an sich". Diese transzendentale Subjektivität ist nicht nur individuell, sondern bildet die allgemeingültige Struktur menschlicher Erkenntnis.
Spätere philosophische Strömungen, insbesondere die Phänomenologie und der Existenzialismus, vertieften das Verständnis von Subjektivität. Edmund Husserl, der Begründer der Phänomenologie, konzentrierte sich auf die Erforschung des Bewusstseins und der intentionalen Akte, durch die das Subjekt seine Welt konstituiert. Er versuchte, die Strukturen des subjektiven Erlebens systematisch zu beschreiben. Jean-Paul Sartre und andere Existenzialisten betonten die radikale Freiheit und Verantwortung des Individuums. Für sie ist der Mensch zur Freiheit verurteilt und muss seine Existenz durch seine Entscheidungen selbst gestalten, wodurch er seine eigene Subjektivität und Identität schafft. Die Welt erhält erst durch das handelnde und interpretierende Subjekt Bedeutung.
Subjektivität ist nicht nur ein philosophisches Konzept, sondern durchdringt alle Aspekte des menschlichen Lebens. In der Kunst manifestiert sie sich in der einzigartigen Ausdrucksweise des Künstlers und der individuellen Rezeption des Betrachters. In der Ethik bildet sie die Grundlage für persönliche moralische Entscheidungen und Werturteile. Auch in der Psychologie spielt Subjektivität eine zentrale Rolle, da menschliches Verhalten und Erleben untrennbar mit individuellen Gefühlen, Gedanken und der persönlichen Lebensgeschichte verbunden sind. Die Herausforderung der Subjektivität liegt oft im Vorwurf des Relativismus oder Solipsismus, also der Annahme, dass jede Wahrheit rein individuell ist und keine gemeinsame Basis für Verständnis oder Kommunikation existiert. Die Gefahr besteht darin, dass die Anerkennung der Subjektivität zu einer Beliebigkeit von Meinungen führen könnte.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde das Konzept der Intersubjektivität entwickelt. Intersubjektivität beschreibt die gemeinsame Grundlage des Verstehens und der Kommunikation, die zwischen verschiedenen Subjekten entsteht. Sie ist der Prozess, durch den individuelle Subjektivitäten in einen Dialog treten und gemeinsame Bedeutungen, Normen und Realitäten konstruieren. Durch Sprache, geteilte Erfahrungen und soziale Interaktion können Menschen ihre subjektiven Welten miteinander verbinden und ein gemeinsames Verständnis aufbauen, ohne die Einzigartigkeit der individuellen Perspektpektive aufzugeben. Intersubjektivität ermöglicht es, dass trotz individueller Subjektivität eine gemeinsame, objektive Welt erfahrbar und verhandelbar wird. Sie ist der Schlüssel zur sozialen Kohäsion und zum Aufbau von Wissen jenseits des rein Persönlichen.