Der Symbolismus war eine vielschichtige künstlerische und literarische Bewegung, die sich in Europa im späten 19. Jahrhundert, etwa von den 1880er Jahren bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs, entwickelte. Er entstand als Reaktion auf den dominierenden Naturalismus und Realismus, die eine objektive und detailgetreue Abbildung der äußeren Welt anstrebten. Stattdessen wandten sich die Symbolisten der inneren Welt, dem Subjektiven, dem Mystischen und dem Traumhaften zu. Ihr Ziel war es, Ideen, Emotionen und spirituelle Wahrheiten nicht direkt darzustellen, sondern durch Symbole, Andeutungen und Suggestionen hervorzurufen. Es ging darum, die verborgenen Bedeutungen hinter der sichtbaren Realität zu ergründen und auszudrücken. Der Begriff wurde 1886 vom französischen Dichter Jean Moréas in seinem „Symbolistischen Manifest“ geprägt, obwohl die Bewegung schon früher existierte und sich unabhängig voneinander in verschiedenen Ländern manifestierte.
In der Literatur zeichnete sich der Symbolismus durch eine Abkehr von der deskriptiven Prosa und einer Hinwendung zu einer evokativen, musikalischen Sprache aus. Dichter wie Stéphane Mallarmé, Paul Verlaine und Arthur Rimbaud in Frankreich, aber auch Rainer Maria Rilke in Deutschland, suchten nach der reinen Poesie, die durch Klang, Rhythmus und die Mehrdeutigkeit von Worten eine Atmosphäre schaffen sollte, die über die bloße Bedeutung hinausging. Ihre Gedichte waren oft reich an Metaphern und Allegorien, die nicht eindeutig entschlüsselt werden konnten, sondern Raum für individuelle Interpretation ließen. Es ging darum, eine Stimmung zu erzeugen, eine Ahnung von etwas Höherem oder Tieferem zu vermitteln, anstatt eine klare Botschaft zu formulieren. Dramatiker wie Maurice Maeterlinck schufen symbolistische Stücke, die oft von düsterer Atmosphäre, Stille und dem Unausgesprochenen lebten.
In der bildenden Kunst äußerten sich die symbolistischen Tendenzen in einer Abkehr von akademischen Konventionen und einer Vorliebe für allegorische, mythologische und fantastische Motive. Künstler wie Gustave Moreau, Odilon Redon und Pierre Puvis de Chavannes in Frankreich, Arnold Böcklin in der Schweiz, Franz von Stuck in Deutschland und Gustav Klimt in Österreich schufen Werke, die oft von einer melancholischen oder geheimnisvollen Stimmung geprägt waren. Sie stellten biblische Szenen, Figuren aus Sagen und Legenden, Träume, Visionen, aber auch Tod, Liebe und Sünde in einer Weise dar, die das Unsichtbare sichtbar machen sollte. Die Farben waren oft leuchtend und irreal oder düster und gedämpft, die Formen wurden stilisiert oder verzerrt, um eine größere emotionale Wirkung zu erzielen. Der Symbolismus in der Malerei beeinflusste auch den aufkommenden Jugendstil und bereitete den Boden für den Expressionismus und Surrealismus.
Die philosophischen Wurzeln des Symbolismus sind vielfältig. Eine zentrale Rolle spielten die Schriften von Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche, die die Bedeutung des Irrationalen und des Willens betonten. Auch okkulte Strömungen, Mystik und Theosophie übten einen starken Einfluss aus, da sie eine Brücke zur spirituellen Welt jenseits der materiellen Realität suchten. Die Symbolisten sehnten sich nach Transzendenz in einer zunehmend materialistischen und wissenschaftlich geprägten Welt. Sie glaubten, dass die Kunst die Fähigkeit besitze, das Unsichtbare zu enthüllen und den Betrachter oder Leser in eine tiefere, spirituelle Dimension zu führen. Die Bewegung war europäisch weit verbreitet und fand in verschiedenen Ländern unterschiedliche Ausprägungen, von den präraffaelitischen Tendenzen in England bis zu den russischen Symbolisten wie Michail Wrubel und Alexander Skrjabin.
Der Symbolismus war keine homogene Bewegung mit einem einheitlichen Stil, sondern eher eine Geisteshaltung, die sich in verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen manifestierte. Er legte den Grundstein für viele der avantgardistischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts, indem er die Subjektivität, das Unbewusste und die suggestive Kraft der Kunst in den Vordergrund rückte. Seine Betonung der inneren Erfahrung und der emotionalen Wirkung prägte die moderne Kunst und Literatur nachhaltig und bot einen wichtigen Gegenpol zu den rein rationalen und empirischen Strömungen seiner Zeit. Obwohl der Symbolismus als eigenständige Bewegung um 1910 abebbte, lebt sein Erbe in nachfolgenden Stilen wie dem Expressionismus, dem Surrealismus und sogar in Elementen des magischen Realismus weiter.