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Synästhesie

Neurowissenschaft

Synästhesie ist ein faszinierendes neurologisches Phänomen, bei dem die Stimulation eines sensorischen oder kognitiven Pfades unwillkürlich und konsistent eine zusätzliche Erfahrung in einem zweiten sensorischen oder kognitiven Pfad auslöst. Das bedeutet, dass Menschen mit Synästhesie, sogenannte Synästhetiker, beispielsweise Farben sehen, wenn sie Musik hören, oder Geschmäcker empfinden, wenn sie bestimmte Worte lesen. Diese zusätzlichen Empfindungen sind nicht metaphorisch, sondern real wahrgenommene Ergänzungen zur primären Sinneswahrnehmung. Sie treten unwillkürlich auf, sind also nicht steuerbar, und sind für die betroffene Person konsistent, was bedeutet, dass ein bestimmter Auslöser immer die gleiche synästhetische Reaktion hervorruft.


Es gibt über 80 bekannte Formen der Synästhesie, wobei einige deutlich häufiger vorkommen als andere. Zu den bekanntesten und am besten erforschten Formen gehört die Graphem-Farb-Synästhesie, bei der Buchstaben oder Zahlen in spezifischen Farben wahrgenommen werden. Eine andere verbreitete Form ist die Ton-Farb-Synästhesie, bei der Klänge oder Musik visuelle Farberlebnisse auslösen. Auch die lexikalisch-gustatorische Synästhesie, bei der Worte bestimmte Geschmäcker hervorrufen, oder die Personifikations-Synästhesie, bei der Zahlen oder Buchstaben eine Persönlichkeit zugeschrieben wird, sind Beispiele für die Vielfalt dieses Phänomens. Die Erfahrungen sind dabei subjektiv und können von Person zu Person stark variieren, selbst innerhalb derselben Synästhesieform.


Die genauen Ursachen der Synästhesie sind noch Gegenstand intensiver Forschung, aber es wird angenommen, dass sie auf einer erhöhten oder ungewöhnlichen Vernetzung zwischen verschiedenen Gehirnarealen beruht, die normalerweise getrennt verarbeitet werden. Eine Hypothese besagt, dass Synästhesie durch eine erhöhte Konnektivität in der weißen Substanz oder durch eine verminderte "pruning" (Beschneidung) von neuronalen Verbindungen in der frühen Kindheit entsteht. Dies führt dazu, dass Reize, die normalerweise nur einen sensorischen Bereich aktivieren, auch benachbarte oder entfernte Bereiche stimulieren. Genetische Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle, da Synästhesie oft familiär gehäuft auftritt, was auf eine erbliche Komponente hindeutet. Bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI) haben gezeigt, dass bei Synästhetikern tatsächlich eine erhöhte Aktivität in den entsprechenden Gehirnregionen während der Auslösung synästhetischer Erfahrungen zu beobachten ist.


Synästhesie ist in der Regel angeboren und manifestiert sich oft schon in der frühen Kindheit, sobald die entsprechenden kognitiven Fähigkeiten wie das Erkennen von Buchstaben oder das Verstehen von Musik entwickelt sind. Sie bleibt typischerweise das gesamte Leben über bestehen, obwohl die Intensität oder die spezifischen Ausprägungen sich im Laufe der Zeit leicht ändern können. Die Prävalenz von Synästhesie wird auf etwa 1-4% der Bevölkerung geschätzt, wobei einige Studien von höheren Zahlen ausgehen. Es gibt Hinweise darauf, dass Frauen häufiger betroffen sind als Männer, und dass Synästhetiker oft eine höhere Kreativität und ein besseres Gedächtnis aufweisen, insbesondere für Informationen, die durch ihre synästhetischen Erfahrungen angereichert werden.


Für viele Synästhetiker sind ihre zusätzlichen Sinneswahrnehmungen ein normaler und oft als bereichernd empfundener Teil ihres Lebens. Sie können helfen, Informationen besser zu merken, da diese durch zusätzliche sensorische Anker verstärkt werden. So kann beispielsweise ein Graphem-Farb-Synästhetiker Telefonnummern leichter behalten, wenn die Zahlen in einer bestimmten Farbkombination erscheinen. Es kann jedoch auch Herausforderungen geben, besonders wenn die synästhetischen Reaktionen überwältigend oder störend sind, beispielsweise bei zu lauten Geräuschen oder chaotischen visuellen Umgebungen. In der Regel lernen Synästhetiker jedoch, mit ihren einzigartigen Wahrnehmungen umzugehen und sie in ihren Alltag zu integrieren. Die Forschung in diesem Bereich trägt nicht nur zum Verständnis der Synästhesie bei, sondern auch zu einem tieferen Verständnis der menschlichen Wahrnehmung, des Bewusstseins und der Funktionsweise des Gehirns im Allgemeinen.

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