Synchronie bezeichnet in der Sprachwissenschaft, insbesondere nach Ferdinand de Saussure, die Betrachtung und Analyse eines Sprachsystems zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, losgelöst von seiner historischen Entwicklung. Sie stellt eine 'Momentaufnahme' oder einen 'Schnitt' durch die Sprache dar, bei dem die Beziehungen und Funktionen der Elemente innerhalb des Systems zu diesem spezifischen Zeitpunkt untersucht werden. Dieser Ansatz ist fundamental für das Verständnis des strukturalistischen Paradigmas in der Linguistik, das Sprache als ein in sich geschlossenes System von Zeichen begreift, deren Wert sich aus ihren Beziehungen zueinander ergibt.
Im Gegensatz dazu steht die Diachronie, die sich mit der Entwicklung und Veränderung der Sprache über die Zeit hinweg befasst. Saussure betonte die Notwendigkeit dieser strikten Trennung, da synchrone und diachrone Phänomene jeweils unterschiedliche Untersuchungsgegenstände und Methoden erfordern. Während die diachrone Perspektive beispielsweise erklärt, wie sich ein Wort im Laufe der Jahrhunderte in Form oder Bedeutung gewandelt hat, analysiert die synchrone Perspektive, welche Bedeutungen und grammatischen Funktionen dieses Wort in der heutigen Sprachgemeinschaft besitzt und wie es mit anderen Wörtern im aktuellen Sprachsystem interagiert.
Die synchrone Analyse ermöglicht es Linguisten, die Regeln und Strukturen einer Sprache zu beschreiben, die von den Sprechern zu einem bestimmten Zeitpunkt intuitiv angewendet werden. Dazu gehören beispielsweise die Phonologie, die Syntax und die Semantik einer Sprache in ihrem gegenwärtigen Zustand. Wenn ein Grammatiker die Regeln für die Satzbildung im heutigen Deutsch beschreibt, führt er eine synchrone Analyse durch. Ebenso ist die Untersuchung der aktuellen Bedeutungsvarianten eines Polysems oder die Analyse der gültigen Konjugationsmuster von Verben in einer bestimmten Sprachphase ein typisches Beispiel für eine synchrone Betrachtungsweise. Das Ziel ist es, das funktionierende System zu erfassen, das es den Sprechern ermöglicht, sich zu verständigen.
Die Etablierung der synchronen Perspektive war ein entscheidender Schritt in der Entwicklung der modernen Linguistik hin zu einer eigenständigen Wissenschaft. Sie ermöglichte es, Sprache nicht nur als historisches Produkt, sondern als ein lebendiges, funktionierendes System zu verstehen. Diese methodologische Trennung half dabei, die Komplexität sprachlicher Phänomene zu strukturieren und eine präzisere, systematischere Beschreibung zu gewährleisten. Ohne die synchrone Betrachtung wäre es schwierig, die Kohärenz und Funktionalität eines Sprachzustandes zu erfassen, da historische Erklärungen nicht immer Aufschluss über die aktuellen systemischen Beziehungen geben. Die Synchronie bildet somit die Grundlage für die Beschreibung der Kompetenz der Sprecher einer Sprachgemeinschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt.