Van-der-Waals-Kräfte sind schwache, nicht-kovalente Anziehungskräfte, die zwischen neutralen Atomen oder Molekülen wirken. Sie sind nach dem niederländischen Physiker Johannes Diderik van der Waals benannt, der ihre Existenz postulierte, um das nicht-ideale Verhalten von Gasen zu erklären. Diese Kräfte sind von entscheidender Bedeutung für die physikalischen Eigenschaften von Stoffen, wie deren Siedepunkte, Schmelzpunkte und die Aggregatzustände.
Die Van-der-Waals-Kräfte umfassen im Wesentlichen drei verschiedene Arten von Wechselwirkungen: die London-Dispersionskräfte, die Debye-Kräfte (Induktionskräfte) und die Keesom-Kräfte (Dipol-Dipol-Kräfte). Obwohl sie alle unter dem Oberbegriff zusammengefasst werden, haben sie unterschiedliche Ursprünge und treten unter verschiedenen Bedingungen auf. Ihre gemeinsame Eigenschaft ist, dass sie wesentlich schwächer sind als kovalente oder ionische Bindungen und ihre Stärke schnell mit zunehmendem Abstand abnimmt.
London-Dispersionskräfte, auch als induzierte Dipol-induzierte Dipol-Kräfte bekannt, sind die schwächsten, aber universellsten Van-der-Waals-Kräfte. Sie entstehen durch temporäre, fluktuierende Dipole in Atomen oder Molekülen. Selbst in nicht-polaren Molekülen bewegen sich Elektronen ständig, was zu kurzzeitigen Ungleichverteilungen der Ladung führt und somit zu momentanen Dipolen. Diese momentanen Dipole können wiederum in benachbarten Atomen oder Molekülen Dipole induzieren, was zu einer schwachen Anziehung führt. Die Stärke dieser Kräfte nimmt mit der Anzahl der Elektronen und der Polarisierbarkeit eines Moleküls zu.
Debye-Kräfte, oder Induktionskräfte, entstehen, wenn ein permanenter Dipol in einem polaren Molekül einen temporären Dipol in einem benachbarten, ursprünglich nicht-polaren, aber polarisierbaren Molekül induziert. Die elektrostatische Wechselwirkung zwischen dem permanenten Dipol und dem induzierten Dipol führt zu einer Anziehung. Diese Kräfte sind stärker als die London-Kräfte, aber schwächer als die Keesom-Kräfte und treten nur auf, wenn mindestens ein Molekül ein permanentes Dipolmoment besitzt.
Keesom-Kräfte, auch als Dipol-Dipol-Kräfte bezeichnet, treten zwischen zwei polaren Molekülen auf, die jeweils ein permanentes Dipolmoment besitzen. Hierbei richten sich die Moleküle so aus, dass der positive Pol des einen Moleküls dem negativen Pol des anderen Moleküls zugewandt ist, was zu einer elektrostatischen Anziehung führt. Die Stärke dieser Kräfte hängt von der Größe der Dipolmomente und der Temperatur ab, da höhere Temperaturen die Ausrichtung der Dipole stören können.
Ein wesentliches Merkmal aller Van-der-Waals-Kräfte ist ihre geringe Reichweite; ihre Stärke nimmt typischerweise mit der sechsten Potenz des Abstands zwischen den Molekülen ab (1/r^6). Im Gegensatz dazu wirken die Abstoßungskräfte bei sehr geringem Abstand aufgrund der Überlappung der Elektronenhüllen sehr stark. Diese Kombination aus kurzreichweitiger Anziehung und starker Abstoßung bei Annäherung wird oft durch das Lennard-Jones-Potential beschrieben.
Van-der-Waals-Kräfte spielen eine entscheidende Rolle in zahlreichen physikalischen, chemischen und biologischen Prozessen. Sie sind verantwortlich für die Kondensation von Gasen zu Flüssigkeiten und die Erstarrung von Flüssigkeiten zu Feststoffen bei niedrigen Temperaturen. In der Biologie sind sie fundamental für die Stabilität von Proteinstrukturen, die Basenpaarung in der DNA, die Wechselwirkung zwischen Enzymen und Substraten sowie die Adhäsion von Geckofüßen an Oberflächen. Ohne diese Kräfte gäbe es keine Flüssigkeiten oder Feststoffe, die aus neutralen Molekülen bestehen.