Echtzeitverarbeitung ist ein Paradigma in der Informatik und Systemtechnik, bei dem die Korrektheit eines Rechensystems nicht nur von der logischen Richtigkeit der Ergebnisse abhängt, sondern auch von dem Zeitpunkt, zu dem diese Ergebnisse geliefert werden. Dies bedeutet, dass Operationen innerhalb streng definierter Zeitfenster abgeschlossen sein müssen, um die Funktionalität des Gesamtsystems zu gewährleisten. Das primäre Ziel ist es, auf externe oder interne Ereignisse so schnell zu reagieren, dass die Systemantwort innerhalb einer vorgegebenen Frist erfolgt, die kritisch für die Stabilität oder Sicherheit des gesteuerten Prozesses ist. Die Einhaltung dieser Fristen ist von fundamentaler Bedeutung, da eine Überschreitung gravierende Konsequenzen haben kann, von Leistungsverlust bis hin zu katastrophalen Ausfällen.
Man unterscheidet im Allgemeinen drei Kategorien von Echtzeitsystemen: harte, weiche und feste Echtzeitsysteme. Harte Echtzeitsysteme zeichnen sich dadurch aus, dass die Nichteinhaltung einer Frist als Systemfehler betrachtet wird und potenziell katastrophale Folgen haben kann, beispielsweise bei Flugsteuerungssystemen, medizinischen Geräten zur Lebenserhaltung oder in nuklearen Kraftwerken. Die Einhaltung der Fristen ist hier absolut kritisch. Weiche Echtzeitsysteme tolerieren gelegentliche Fristüberschreitungen, wobei die Qualität des Ergebnisses oder die Benutzererfahrung zwar beeinträchtigt wird, aber keine katastrophalen Folgen zu erwarten sind. Beispiele hierfür sind Multimedia-Streaming, Online-Gaming oder interaktive Benutzeroberflächen. Feste Echtzeitsysteme liegen zwischen diesen beiden Extremen; eine Fristüberschreitung führt dazu, dass das Ergebnis nutzlos wird, aber es gibt keine katastrophalen Folgen für das System als Ganzes, wie etwa bei der Verarbeitung von Finanztransaktionen mit sofortiger Gültigkeit.
Die Implementierung von Echtzeitsystemen erfordert spezielle Ansätze in der Systemarchitektur, der Softwareentwicklung und der Betriebsführung. Determinismus ist ein Schlüsselmerkmal: Das System muss vorhersagbar auf Eingaben reagieren, und die Ausführungszeiten von Aufgaben müssen bekannt und begrenzt sein. Dies erfordert oft den Einsatz von speziellen Echtzeit-Betriebssystemen (RTOS), die präemptive Scheduling-Algorithmen und garantierte Antwortzeiten bieten. Herausforderungen umfassen die genaue Zeitmessung, die Priorisierung von Aufgaben, die Vermeidung von Latenzen durch E/A-Operationen oder Interrupts sowie die Sicherstellung der Ressourcenverfügbarkeit unter allen Lastbedingungen. Auch die Fehlertoleranz spielt eine wichtige Rolle, um die Funktionsfähigkeit des Systems auch bei Ausfällen von Komponenten zu gewährleisten.
Echtzeitverarbeitung findet Anwendung in einer Vielzahl von Bereichen, in denen Zeitkritikalität entscheidend ist. Dazu gehören industrielle Automatisierung und Prozesssteuerung, wo Maschinen und Anlagen präzise in Echtzeit gesteuert werden müssen, um Produktionsabläufe zu optimieren und Sicherheitsstandards einzuhalten. Im Automobilbereich sind Echtzeitsysteme unverzichtbar für Motorsteuerungen, Airbagsysteme, ABS und Fahrerassistenzsysteme. Die Luft- und Raumfahrt nutzt Echtzeitverarbeitung für Flugsteuerung, Navigation und Missionsmanagement. Medizinische Geräte wie Herzschrittmacher, Patientenüberwachungssysteme oder bildgebende Verfahren sind ebenfalls auf exakte Zeiteinhaltung angewiesen. Auch in der Telekommunikation, bei Finanztransaktionen und in der Robotik sind Echtzeitsysteme fundamental für die zuverlässige und sichere Funktion.
Im Gegensatz zu traditionellen Batch-Verarbeitungssystemen, die Aufgaben sequenziell und ohne strikte Zeitvorgaben abarbeiten, oder Time-Sharing-Systemen, die Rechenzeit unter verschiedenen Prozessen aufteilen, ohne garantierte Antwortzeiten, stellt die Echtzeitverarbeitung die Zeiteinhaltung in den Vordergrund. Die Entwicklung geht hin zu komplexeren, vernetzten Echtzeitsystemen, die auch Aspekte wie künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen integrieren müssen, wobei die Herausforderung darin besteht, die Vorhersagbarkeit und Fristeinhaltung auch in solchen adaptiven Umgebungen zu gewährleisten. Die zunehmende Vernetzung im Internet der Dinge (IoT) und Industrie 4.0 verstärkt die Notwendigkeit robuster und effizienter Echtzeitlösungen weiter.