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Bermuda-Dreieck Faktencheck: Vom Mythos zur Messung

Dunkles Meeresmotiv mit einem leuchtend türkisfarbenen, geometrischen Dreieck in der Mitte. Vor dem Dreieck schneidet die Silhouette eines Flugzeugs die Szene – Symbol für die Mythen um das Bermuda-Dreieck und die Frage „Mythos oder Wahrheit?“.

Die Faszination für das Unerklärliche ist ein starkes Triebmittel – und kaum ein Sujet verkörpert diese Anziehungskraft so gut wie das Bermuda-Dreieck. Schon das ikonische Bild vom Flugzeug, das in ein glühendes Dreieck stürzt, kitzelt unseren Nerv für Geheimnisse. Aber was bleibt übrig, wenn wir den Nebel der Legenden lichten und nüchtern nach Belegen fragen? Genau diese Reise unternehmen wir hier – von der Verlockung des Paranormalen zur Klarheit der Daten.


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Die Bühne des Mythos: Wo das „Dreieck“ beginnt – und wo es endet


Stellen wir uns vor, ein Krimiautor dürfte nach Belieben den Tatort verschieben, um möglichst viele Fälle passend zu machen. Unfair? Genau so verläuft die Geografie des Bermuda-Dreiecks. Häufig wird es durch die Eckpunkte Miami (Florida), Bermuda und San Juan (Puerto Rico) beschrieben – ein riesiges Areal, das in manchen Darstellungen flächenmäßig mit Frankreich verglichen wird. Doch offiziell existiert diese Region nicht: Weder das U.S. Board on Geographic Names erkennt ein „Bermuda-Dreieck“ an, noch gibt es verbindliche Karten. Die Grenzen sind beweglich – ein ideales Werkzeug, um Ereignisse je nach Erzählbedarf hinein- oder herauszuschieben.


Diese Flexibilität ist kein Nebendetail, sondern das Fundament des Mythos. So wird etwa das Verschwinden der „Star Tiger“ (1948) gern als Kronzeuge angeführt, obwohl die Maschine weit nördlich von Bermuda – klar außerhalb der gängigen „Dreieckslinien“ – verloren ging. Gleichzeitig verschwinden in der Debatte Millionen völlig unauffälliger Passagen durch die Region wie Nadelstiche im Heuhaufen. Mit anderen Worten: Das „Dreieck“ ist weniger ein Untersuchungsgebiet als ein narrativer Rahmen, der seine Beweise gleich mitdefiniert.


Und doch ist das Revier ozeanografisch anspruchsvoll. Ein „Fluss im Ozean“, der Golfstrom, durchfurcht die See; der Meeresboden fällt von tückischen Flachwasserbänken bis in abgrundtiefe Gräben; und mit der Sargassosee grenzt ein einzigartiges, strömungsumfasertes Meer ohne Küsten an. Aber anspruchsvoll heißt nicht übernatürlich. Es heißt: Hier wirken bekannte, manchmal brutale Naturkräfte.


Vom Seemannsgarn zur Schlagzeile: Wie eine moderne Legende entsteht


Oft klingt es so, als sei das Bermuda-Dreieck uraltes Seefahrergrauen. Tatsächlich ist es ein Produkt des 20. Jahrhunderts. Ein paar historische Zitate – etwa Kolumbus’ Kompassabweichungen oder eine „Feuerflamme“ am Himmel – wurden erst im Nachhinein zum Mosaik des Mysteriums erklärt. Kompassdeklination und Meteor? Wahrscheinlicher als Portale.


Der wahre Wendepunkt liegt nach dem Zweiten Weltkrieg: Am 5. Dezember 1945 verschwindet die Ausbildungsstaffel „Flight 19“. In den 1950ern greifen Magazine das Thema auf; 1964 prägt Vincent Gaddis in einem Pulp-Artikel den griffigen Namen „Bermuda Triangle“. Der endgültige Durchbruch folgt 1974 mit Charles Berlitz’ Bestseller – ein cocktailartiger Mix aus verschwundenen Schiffen, UFO-Anklängen, Atlantis-Fantasien und Zeitlöchern. Wissenschaftlich mager, erzählerisch maximal – und damit massenwirksam.


Hier zeigt sich ein bekanntes Rezept moderner Mythen: Eine echte Tragödie liefert den emotionalen Anker, ein einprägsamer Name die Marke, und ein begabter Geschichtenerzähler mischt Spekulationen hinzu. Fertig ist der globale Dauerbrenner.


Akte Flight 19: Lehrstück in Navigationsfehlern – nicht in Naturgesetzen


Wenn es einen „Urknall“ des Dreiecks gibt, dann Flight 19. Fünf TBM-Avenger starten zu einem Routine-Navigationsflug ab Fort Lauderdale. Staffel­führer Lt. Charles C. Taylor – kampferfahren, aber im lokalen Revier neu – meldet 90 Minuten nach dem Start Kompassprobleme und verliert die Orientierung. Sein fataler Irrtum: Er glaubt, über den Florida Keys (also westlich) zu sein, obwohl die Staffel planmäßig östlich über den Bahamas fliegt. Aus dieser Fehlannahme leitet er die falsche Korrektur ab: Kurs Nordost. Wer westwärts flöge, käme heim – doch Taylor setzt sich gegen Einwände seiner Wingmen durch und bleibt zudem auf der falschen Funkfrequenz.


Dann kippt das Wetter. Fronten bauen sich auf, die Sicht bricht ein, Treibstoff wird knapp. Die letzte klare Order: zusammenbleiben und auf Notwasserung vorbereiten. Trümmer? Keine. In aufgewühlter See, mit Golfstrom als „Trümmer-Staubsauger“, ist das eher Regel als Rätsel.


Das zweite Unglück derselben Nacht – das Suchflugboot PBM Mariner mit 13 Mann – wird oft als „mysteriöse Bestätigung“ erzählt. Tatsächlich berichtet ein Frachter eine Himmelsexplosion und einen Ölteppich; der Mariner-Typ war für Benzindampf-Explosionen berüchtigt. Ein tragischer Doppelschlag also, aber kein Fingerzeig auf außerphysikalische Kräfte.


Bermuda-Dreieck Faktencheck: Die „Kronfälle“ unter der Lupe


Was passiert, wenn man die weiteren Lieblingsfälle der Mythenerzähler entkernt und die weggelassenen Kontexte ergänzt? Das Muster wiederholt sich:


  • USS Cyclops (1918): Ein riesiges Kohlen- und Erztransportschiff verschwindet mit über 300 Menschen. Klingt unheimlich, doch das Schiff war strukturell anfällig, offenbar überladen und mit korrosiver Fracht unterwegs. Zwei Schwesterschiffe sanken später unter ähnlichen Umständen. Schlechtes Wetter plus Konstruktionsprobleme ergeben eine weit plausiblere Rechnung als „Fluchzonen“.

  • SS Cotopaxi (1925): Aus dem „Geisterschiff“ der Legenden wurde 2020 ein identifiziertes Wrack vor Florida – genau entlang der dokumentierten Route. Funksprüche meldeten Wassereinbruch im Sturm. Spurlos? Eher aktenkundig.

  • Star Tiger (1948) & Star Ariel (1949): In kurzer Folge verschwundene Passagiermaschinen. Die Star Tiger gerät weit nördlich des „Dreiecks“ in starke Winde; Untersuchungen verweisen auf Navigationsfehler und zu geringe Flughöhen. Beide Typen operierten an der Reichweitengrenze, mit bekannten technischen Schwächen (Heizung, Funk) und in schwierigem Wetter.

  • Carroll A. Deering (1921): Ein verlassen aufgefundener Schoner – dramatisch, ja. Aber bei Cape Hatteras, dem „Friedhof des Atlantiks“, weit nordwärts. Wahrscheinlich Meuterei oder Evakuierung während eines Hurrikans.


Kurz: Die „Beweise“ sprechen nicht für ein Mysterium, sondern für selektive Erzähltechnik. Auslassungen, Übertreibungen und geografische Verschiebungen machen aus Unglücken offene Rätsel.


Naturkräfte statt Naturgesetze außer Kraft: Was die Wissenschaft sagt


Die Region ist kein magischer Fehlerspeicher der Physik. Sie ist ein realer Härtetest aus Wetter, Strömung und Topografie – plus menschlicher Fehlbarkeit.


Hurrikane und Gewitterzellen: Das Dreieck liegt im „Hurricane Alley“. Vor dem Satellitenzeitalter konnten Schiffe und Maschinen massiven Stürmen fast blindlings ins Maul fahren. Selbst heute bleiben tropische Systeme und explosive Gewitterlinien eine enorme Gefahr.


Der Golfstrom: Ein warmer, schneller Ozeanfluss, der Wetter rasch ändern und Trümmer wie ein Förderband verteilen kann. Wer nach Wracks sucht, sucht im „laufenden Band“ – kein Wunder, dass viel unentdeckt bleibt.


Rogue Waves (Kaventsmänner): Einzelne Monsterwellen von mehr als 30 Metern Höhe sind heute gut dokumentiert. Ein Zehn-Stockwerke-Wand aus Wasser kann moderne Frachter ohne Vorwarnung zerreißen. Solche Extremwellen erklären Schnelligkeit und Spurenarmut mancher Havarien – ganz ohne Sci-Fi.


Tückische Topografie: Flache Riffe, tiefe Gräben (bis über 8.000 m), vulkanische Seamounts: Wer dort sinkt, verschwindet in einer Dimension, die unserer Technik oft überlegen bleibt.


Und die vermeintlichen „Sonderkräfte“?


Magnetische Anomalien: Die Erde hat Variationen im Magnetfeld, aber das Dreieck ist kein Hotspot des Chaos. Linien, auf denen Kompass und geografischer Norden übereinstimmen (Agonen), sind bekannt und kartiert – keine Überraschung für Navigatoren.


Methanhydrat-Ausbrüche: Als Laborphänomen plausibel: Gasblasen könnten Wasser „leichter“ machen und Schiffe an Auftrieb verlieren lassen. Doch es fehlt jeder harte Feldbeleg dafür, dass dies hier jemals ein Schiff versenkt hat – und Flugzeuge erklärt es schon gar nicht.


Mensch & Maschine: Die unterschätzte Variable


Der stärkste „unbekannte Faktor“ ist der bekannte: wir. Navigationsfehler, Fehleinschätzungen, Übermüdung, Drucksituationen – die Klassiker der Unfallforschung. Dazu kamen in vielen historischen Fällen Technikgrenzen: kein GPS, wacklige Funktechnik, grobe Wetterinfos. Die „Marine Sulphur Queen“ (1963) etwa: ein Problemfrachter mit Brandhistorie und strukturellen Mängeln. Wer solche Fallakten dem Dreieckszauber zuschreibt, verwechselt Ursache mit Kulisse.


Statistik statt Schauer: Was Zahlen, Versicherer und Behörden sagen


Mythen lieben absolute Zahlen. Wissenschaft fragt: „Im Verhältnis wozu?“ Das Dreieck ist eine der verkehrsreichsten Regionen der Welt. Mehr Verkehr bedeutet absolut mehr Ereignisse – wie eine Stadtautobahn mehr Blechschäden meldet als die Dorfstraße.


Entscheidend ist die Quote. Analysen von Forschungseinrichtungen, Behörden und Versicherern zeigen: Im Verhältnis zum Verkehrsaufkommen ist die Zahl der Verluste nicht ungewöhnlich. Lloyd’s of London – deren Geschäft Risiko ist – erhebt keine Sonderprämien für Fahrten durchs „Dreieck“. Wenn irgendwo ein reales Überrisiko bestünde, sähe man es zuerst in Prämienkurven, nicht in Bestsellerlisten.


Auch die offiziellen Stimmen sind eindeutig: Die US-Küstenwache findet in ihren Fallprüfungen keine Hinweise auf „etwas anderes als physikalische Ursachen“. NOAA erklärt, es gebe keine Belege für eine erhöhte Häufung mysteriöser Verluste gegenüber anderen stark frequentierten Meeresgebieten. Deutlicher wird’s kaum.


Mythos-Maschine vs. Quellenarbeit: Berlitz und Kusche


Zwei Namen stehen exemplarisch: Charles Berlitz, der Populärmythologe, und Larry Kusche, der akribische Bibliothekar und Pilot. Berlitz band alles an – Atlantis, UFOs, Zeitwirbel – und vergaß, Stürme, Technikmängel oder Geografie sauber zu dokumentieren. Kusche tat das Gegenteil: Er wühlte sich durch Navy- und Air-Force-Akten, Zeitungen, Wetterdaten, schrieb Zeugen an – und zeigte systematische Auslassungen, Fehlzuschreibungen und simple Fehler auf. Sein Fazit: ein „manufactured mystery“, ein gemachter Mythos.


Die unbequeme Wahrheit: Gute Geschichten schlagen oft gute Daten. Aber nur Daten erklären die Welt.


Warum das Unerklärliche so unwiderstehlich bleibt


Am Ende dieser Reise steht kein schillerndes Portal – sondern eine nüchterne, aber faszinierende Einsicht: Das Rätsel des Bermuda-Dreiecks erzählt weniger über den Atlantik als über uns. Wir sehnen uns nach Wundern, nach Restzonen des Ungezähmten. Mythen liefern simple, tröstliche Antworten, wo Wirklichkeit komplex und manchmal grausam ist.


Gerade deshalb lohnt der Faktencheck. Er nimmt dem Meer nicht sein Geheimnis, er verleiht ihm Tiefe. Uns auch. Wenn dir dieser Deep Dive gefallen hat, lass gern ein Like da und teile deine Gedanken in den Kommentaren. Für mehr solcher Analysen folgst du unserer Community:




Quellen:


  1. Das Bermuda Dreieck: Teufelsdreieck im Nordatlantik – https://www.bermuda-inseln.net/bermuda-dreieck/

  2. What is the Bermuda Triangle? – NOAA – https://oceanservice.noaa.gov/facts/bermudatri.html

  3. The Bermuda Triangle Summary | SuperSummary – https://www.supersummary.com/the-bermuda-triangle/summary/

  4. Bermudadreieck – Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Bermudadreieck

  5. Das Bermuda-Dreieck: Was die Wissenschaft sagt – Gazeta Express – https://www.gazetaexpress.com/de/trekendeshi-i-bermudes-cfare-thote-shkenca-per-rajonin-misterioz-te-oqeanit-atlantik/

  6. Mythos Bermudadreieck – Watson – https://www.watson.ch/wissen/forschung/537360869-mythos-bermudadreieck-5-theorien-die-das-raetsel-nicht-erklaeren

  7. Bermudadreieck: Der Friedhof des Atlantiks – KiVVON – https://www.kivvon.com/de/fctsncks/bermudadreieck-der-friedhof-des-atlantiks

  8. Die rätselhaftesten Verschwörungstheorien – Galileo – https://www.youtube.com/watch?v=UpVc2NQ8VdA

  9. NOAA & Lloyd’s of London: Risiko­einschätzungen – Economic Times – https://m.economictimes.com/news/international/us/bermuda-triangle-mystery-noaa-and-lloyds-of-london-support-long-held-theories/articleshow/123418442.cms

  10. Bermuda Triangle – Wikipedia – https://en.wikipedia.org/wiki/Bermuda_Triangle

  11. Golfstrom – Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Golfstrom

  12. WikiReader Digest (Hintergrund) – https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0b/WikiReader_Digest_2005-08.pdf

  13. Vincent Gaddis – Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Vincent_Gaddis

  14. The Bermuda Triangle: Truth behind the myths – Gulf News – https://gulfnews.com/world/americas/enduring-mystery-the-myth-and-truth-about-the-bermuda-triangle-1.500230693

  15. The Bermuda Triangle by Charles Berlitz – Goodreads – https://www.goodreads.com/book/show/485895.The_Bermuda_Triangle

  16. The Mysterious Disappearance of Flight 19 – US Naval Institute – https://www.usni.org/magazines/naval-history-magazine/2021/october/mysterious-disappearance-flight-19

  17. The Mysterious Disappearance of Flight 19 – HISTORY – https://www.history.com/articles/the-mysterious-disappearance-of-flight-19

  18. Flight 19 – NAS Fort Lauderdale Museum – https://www.nasflmuseum.com/flight-19.html

  19. Flight 19 – Wikipedia – https://en.wikipedia.org/wiki/Flight_19

  20. The Mysterious Disappearance of Navy Flight 19 – USS Midway Museum – https://www.midway.org/blog/mysterious-disappearance-of-navy-flight-19

  21. List of Bermuda Triangle incidents – Wikipedia – https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Bermuda_Triangle_incidents

  22. Is the Bermuda Triangle really dangerous? – Live Science – https://www.livescience.com/32240-is-the-bermuda-triangle-really-dangerous.html

  23. Federal Agency: Bermuda Triangle not supernatural – Miami New Times – https://www.miaminewtimes.com/news/federal-agency-bermuda-triangle-is-officially-not-supernatural-6541234

  24. Atlantis: The Lost Continent Revealed – Wikipedia – https://en.wikipedia.org/wiki/Atlantis:_The_Lost_Continent_Revealed

  25. Charles Berlitz – Nachruf/Porträt – SFGATE – https://www.sfgate.com/bayarea/article/Charles-Berlitz-Bermuda-Triangle-author-2832395.php

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