Mehr als nur Monster: Was Hitler, Stalin und Mao wirklich angetrieben hat
- Benjamin Metzig
- 21. Juli
- 12 Min. Lesezeit

Was bringt einen Menschen dazu, den Tod von Millionen anzuordnen? Wenn wir an die dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte denken, tauchen unweigerlich Gesichter auf: Adolf Hitler, Josef Stalin, Mao Zedong. Ihre Namen sind Synonyme für unvorstellbares Leid. Aber die wirklich beunruhigende Frage ist nicht nur, wer sie waren, sondern was sie waren. Waren sie einzigartige, sadistische Monster, geboren aus einer Laune der Natur? Oder waren sie das schreckliche, aber logische Ergebnis von Umständen, Ideologien und menschlicher Psychologie, die auch heute noch in unserer Welt lauern?
Diese Frage ist mehr als nur eine historische Übung. Sie ist ein Spiegel, den wir uns selbst vorhalten müssen. Denn wenn wir die Mechanismen verstehen, die zu den größten Gräueltaten der Geschichte führten, können wir vielleicht die Warnzeichen erkennen, bevor es zu spät ist. Wir begeben uns heute auf eine analytische, schonungslose und absolut faszinierende Reise in das Herz der Finsternis. Wir werden nicht nur die Täter betrachten, sondern die gesamte Architektur ihrer Verbrechen: die Ideologien, die Bürokratien und die psychologischen Schalter, die umgelegt werden mussten, um Massenmord zu einer staatlichen Aufgabe zu machen.
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Das Kalkül des Todes: Wenn das Zählen zur Anklage wird
Bevor wir ins „Warum“ eintauchen, müssen wir uns dem schwindelerregenden „Wie viel“ stellen. Die Zahlen allein sind eine Waffe gegen das Vergessen, aber sie sind auch ein Minenfeld für Historiker.
Mao Zedong: Die Schätzungen für die Opfer seiner Herrschaft in China (1949–1976) sind gigantisch und reichen von 30 Millionen bis zu unfassbaren 70 Millionen Menschen. Der Löwenanteil davon, etwa 35 bis 45 Millionen, starb nicht durch eine Kugel, sondern durch Hunger während des „Großen Sprungs nach vorn“. Eine menschengemachte Katastrophe, ausgelöst durch eine utopische Politik und gnadenlose Getreideabgaben. Hier offenbart sich eine andere Art des Tötens: nicht der direkte, industrielle Mord, sondern das Ergebnis einer Politik, die den Tod von Millionen billigend in Kauf nahm.
Josef Stalin: In der Sowjetunion (1924–1953) ist das Bild komplexer. Nach der Öffnung der sowjetischen Archive sprechen die dokumentierten Zahlen von 6 bis 9 Millionen Opfern durch direkte Hinrichtungen, den Gulag und Deportationen. Ältere Schätzungen, die auch demografische Verluste und Hungersnöte wie den Holodomor einbeziehen, gehen von über 20 Millionen aus. Forscher, die den gesamten „Demozid“ – also den Mord durch die eigene Regierung über die gesamte Existenz der Sowjetunion – betrachten, kommen sogar auf eine wahrscheinliche Zahl von 62 Millionen.
Adolf Hitler: Das NS-Regime (1933–1945) ist für den wohl am akribischsten dokumentierten Völkermord der Geschichte verantwortlich. Die Zahl von 6 Millionen ermordeten Juden im Holocaust ist unumstößlich belegt. Zählt man andere Opfergruppen – sowjetische Kriegsgefangene, Polen, Roma, Menschen mit Behinderungen und politische Gegner – hinzu, kommt man auf eine Gesamtzahl von rund 21 Millionen nicht-militärischen Todesopfern.
König Leopold II. von Belgien: Sein Name ist weniger bekannt, aber seine Taten waren nicht minder schrecklich. Im Kongo-Freistaat (1885–1908), seinem persönlichen Besitz, starben schätzungsweise 10 Millionen Menschen durch ein brutales System der Zwangsarbeit für die Kautschuk- und Elfenbeingewinnung, durch Morde, Verstümmelungen und Krankheiten. Ein Völkermord, angetrieben von reiner Profitgier.
Dschingis Khan: Im 13. Jahrhundert sind die Zahlen am unsichersten. Die oft zitierte Zahl von 40 Millionen Opfern ist höchst umstritten und basiert auf der Interpretation mittelalterlicher Chroniken und groben demografischen Schätzungen. Dennoch deuten die Quellen auf massive Bevölkerungsrückgänge in den eroberten Gebieten hin. Seine Gewalt war die Gewalt des Eroberers in einer vormodernen Welt.
Die Debatte über diese Zahlen ist keine akademische Haarspalterei. Sie zeigt uns, wie die Verbrechen begangen wurden. Die präzisen Listen der Nazis spiegeln einen industrialisierten, bürokratischen Mordapparat wider. Die vagen, aber riesigen Zahlen bei Mao zeigen eine Katastrophe, die aus politischer Verblendung und systematischer Täuschung erwuchs. Und genau hier stoßen wir auf einen erschreckenden Begriff: Demozid. Die konsequente Forschung zeigt, dass im 20. Jahrhundert weit mehr Menschen durch ihre eigene Regierung (ca. 151 Millionen) ermordet wurden als in allen Kriegen zusammen (ca. 38,5 Millionen). Die größte Gefahr für dein Leben war statistisch gesehen nicht der ausländische Feind, sondern dein eigener Staat.
Der perfekte Sturm: Wie Tyrannen die Macht ergreifen
Diese Männer waren keine Naturgewalten, die aus dem Nichts kamen. Sie waren geschickte Opportunisten, die in Zeiten tiefgreifender Krisen einfache, radikale Lösungen anboten. Ihre Machtübernahme folgte Mustern, die wir erkennen können.
Hitler, Stalin und Mao kamen alle in Zeiten des totalen Zusammenbruchs an die Macht. Für Hitler war es der „perfekte Sturm“ aus der Demütigung nach dem Ersten Weltkrieg, der instabilen Weimarer Republik und der Weltwirtschaftskrise. Er nutzte die demokratischen Prozesse legal aus, um sie anschließend von innen zu zerstören.
Stalin hingegen führte keine Revolution. Er war der ultimative Bürokrat. Nach Lenins Tod nutzte er seine Position als Generalsekretär, um die Parteistrukturen langsam und methodisch zu unterwandern, Rivalen auszuschalten und eine loyale Machtbasis aufzubauen. Es war eine feindliche Übernahme von innen.
Mao war das Gegenteil: ein erfolgreicher revolutionärer und militärischer Führer. Sein Aufstieg war das Ergebnis eines jahrzehntelangen Bürgerkriegs und des Kampfes gegen die japanische Invasion. Er eroberte die Macht von außen, gestützt auf die Bauernschaft.
Ganz anders waren die Wege von Dschingis Khan und Leopold II. Dschingis Khan stieg in einem Kontext ständiger Stammeskriege auf. Seine Macht kam durch die Einigung dieser Stämme durch militärisches Genie und rücksichtslose Gewalt. Er schuf Ordnung im Chaos, eine Ordnung, die auf Eroberung basierte. Leopold wiederum war ein kolonialer Unternehmer. Er erwarb den Kongo nicht durch einen Krieg, sondern durch geschickte Diplomatie und den Deckmantel einer philanthropischen Mission. Auf der Berliner Konferenz 1884/85 überzeugte er die europäischen Mächte, ihm ein riesiges Land als Privatbesitz zu überlassen.
Der entscheidende Punkt ist: Der Weg zur Macht prägte die Art der Gewalt, die folgte. Hitler, der das Gesetz missbrauchte, begann mit der legalen Demontage des Rechtsstaats. Stalin, der die Partei übernommen hatte, richtete seine Gewalt nach innen, gegen Parteirivalen. Mao, der eine Bauernarmee anführte, stürzte das Land mit seiner Agrarpolitik ins Verderben. Und Leopold, der den Kongo als Geschäftsunternehmen sah, optimierte seine Gewalt zur Profitmaximierung. Die Methoden des Terrors waren eine direkte Fortsetzung der Methoden der Machtergreifung.
Die Lizenz zum Töten: Wie eine Idee zur Mordwaffe wird
Massenmord braucht eine Rechtfertigung. Er braucht eine Geschichte, eine Ideologie, die das Undenkbare nicht nur erlaubt, sondern zur Notwendigkeit erklärt.
Die NS-Ideologie war eine mörderische Mischung aus Rassenhierarchie und dem Streben nach „Lebensraum“. Sie definierte die „arische Rasse“ als überlegen und die Juden als biologische Bedrohung, als eine Art Virus, das aus dem „Volkskörper“ entfernt werden müsse. Diese Weltanschauung war keine spontane Erfindung, sondern in Hitlers „Mein Kampf“ klar dargelegt. Sie verwandelte Vorurteile in ein politisches Programm zur Eroberung und Vernichtung.
Die kommunistischen Utopien von Stalin und Mao basierten auf dem Klassenkampf. Stalin passte den Marxismus-Leninismus an: Die Sowjetunion musste zuerst zu einem mächtigen Industriestaat werden. Dies rechtfertigte eine brutale Zwangskollektivierung und die Beseitigung von „Klassenfeinden“ wie den Kulaken (wohlhabende Bauern), die als Hindernisse auf dem Weg zur Utopie angesehen wurden. Mao wiederum verlegte den Fokus auf die Bauernschaft als revolutionäre Kraft und predigte die „permanente Revolution“, einen Zustand des ständigen Kampfes, um die Reinheit der Revolution zu bewahren. Dies legitimierte gewalttätige Kampagnen wie die Kulturrevolution.
Bei Dschingis Khan und Leopold II. sehen wir etwas anderes. Ihre Ideologien waren pragmatischer und weniger philosophisch. Dschingis Khan glaubte, er habe ein göttliches Mandat des Himmelsgottes Tengri zur Weltherrschaft. Dies rechtfertigte endlose Eroberungen, doch seine Innenpolitik war oft erstaunlich pragmatisch: Er förderte Meritokratie, religiöse Toleranz und Handel. Leopolds „Ideologie“ war eine zynische Lüge für die Weltöffentlichkeit. Er verkaufte sein Projekt als humanitäre Mission zur Bekämpfung des Sklavenhandels, während er im Verborgenen ein System brutalster Ausbeutung etablierte.
Hier zeigt sich ein fundamentaler Unterschied: Die utopischen Ideologien (Nazismus, Kommunismus) wollten die Gesellschaft komplett umgestalten. Der Feind musste vernichtet werden, damit die Utopie entstehen konnte. Für die pragmatischen Herrscher (Dschingis Khan, Leopold) war Gewalt ein Werkzeug zur Unterwerfung und Gewinnung von Ressourcen. Wenn eine Stadt kapitulierte, wurde sie oft verschont. Widerstand wurde gebrochen.
Egal welche Ideologie – ein Schritt ist immer universell: die Entmenschlichung. Unter Goebbels dämonisierte die NS-Propaganda die Juden als Ungeziefer. Stalinistische und maoistische Propaganda stellten politische Gegner als Verräter und Saboteure dar. Dieser Prozess ist keine bloße Beleidigung, er hat eine kognitive Funktion. Die Sozialneurowissenschaft zeigt, dass unser Gehirn bei der Betrachtung entmenschlichter Gruppen die für Empathie zuständigen Regionen einfach nicht aktiviert. Das Opfer wird nicht mehr als Mitmensch wahrgenommen, sondern als Objekt, als Problem, das beseitigt werden muss. Die Entmenschlichung ist das universelle Lösungsmittel für die Moral.
Die Mord-Maschinerie: Wie man den Tod von Millionen organisiert
Massenmord ist kein chaotischer Blutrausch. Er ist ein administratives Projekt. Er braucht Organisation, Logistik und Bürokratie.
Der Holocaust ist das erschreckendste Beispiel für industrialisierten Völkermord. Die „Endlösung“ wurde auf Konferenzen geplant, koordiniert von Bürokraten wie Adolf Eichmann. Die SS war die ausführende Organisation, die ein riesiges Netzwerk von Ghettos und Vernichtungslagern mit Gaskammern betrieb – deutsche Ingenieurskunst im Dienste des Todes. Aber auch die reguläre Wehrmacht war tief verstrickt, unterstützte die mobilen Tötungskommandos und beteiligte sich an Massakern.
In der Sowjetunion war die Geheimpolizei NKWD das zentrale Instrument von Stalins Terror. Sie führte Verhaftungen, Folter und Hinrichtungen durch und verwaltete den Gulag, ein riesiges System von Zwangsarbeitslagern. Anders als in den NS-Todeslagern war das Ziel hier nicht primär die sofortige Vernichtung, sondern die Ausbeutung durch Arbeit. Doch die Bedingungen waren so brutal, dass der Tod durch Hunger, Erschöpfung und Krankheit allgegenwärtig und einkalkuliert war. Der Terror wurde zentral gesteuert, mit Verhaftungsquoten, die von oben nach unten weitergegeben wurden.
Maos China zeigt zwei verschiedene Modelle. Beim Großen Sprung nach vorn war die Gewalt dezentralisiert. Lokale Parteikader nutzten ihre Macht, um Bauern in die Kommunen zu zwingen und unrealistische Getreidequoten einzutreiben. Die zentrale Bürokratie verursachte die Hungersnot, indem sie das Getreide konfiszierte. Während der Kulturrevolution entfesselte Mao die Roten Garden – Massen von Studenten –, um seine politischen Feinde anzugreifen. Dies war eine Art staatlich sanktionierte Gewalt von unten, ein organisiertes Chaos, gelenkt von oben, aber mit lokaler Autonomie ausgeführt.
In Leopolds Kongo wurde die Gewalt quasi privatisiert. Seine Privatarmee, die Force Publique, und die Milizen privater Konzessionsgesellschaften setzten Kautschukquoten mit brutaler Gewalt durch. Das berüchtigte Abschneiden von Händen diente als Beweis, dass keine Kugeln verschwendet wurden. Die Gewalt war hier ein direktes Instrument der Wirtschaftspolitik.
Diese Beispiele zeigen: Es gibt keine Einheitsvorlage für die Bürokratie des Bösen. Sie kann zentralisiert und industriell (Nazi-Deutschland), chaotisch und von unten (Kulturrevolution) oder privatisiert und profitorientiert (Kongo) sein. Was alle Systeme aber gemeinsam haben, ist die Verteilung der Verantwortung. Der Bürokrat in Berlin, der einen Zugfahrplan erstellt, der Gulag-Verwalter, der eine Ration kürzt, der Agent einer Konzessionsgesellschaft, der eine Quote durchsetzt – sie alle tragen zum Massensterben bei, ohne jeden Mord persönlich ausführen zu müssen. Das Böse wird zu einem Prozess, einer alltäglichen Aufgabe, und das macht es so unvorstellbar gefährlich.
Das Monster im Spiegel: Warum ganz normale Menschen mitmachen
Wir kommen nun zum wohl schwierigsten Teil unserer Reise: der Psyche der Täter. Wie werden aus Nachbarn, Vätern und Söhnen Massenmörder? Die Sozialpsychologie liefert drei erschütternde, aber komplementäre Erklärungen.
1. Die Banalität des Bösen: Die Philosophin Hannah Arendt beobachtete den Prozess gegen Adolf Eichmann und kam zu einem schockierenden Schluss. Eichmann war kein diabolischer Sadist, sondern ein erschreckend normaler Bürokrat. Sein Böses war „banal“, weil es nicht aus Hass, sondern aus „Gedankenlosigkeit“ entstand. Er war unfähig, aus der Perspektive anderer zu denken, und rechtfertigte seine Taten mit Amtsdeutsch und dem Verweis auf Befehle. Sein Hauptantrieb war beruflicher Ehrgeiz, seine Arbeit gut zu machen – eine Arbeit, die darin bestand, Millionen in den Tod zu schicken.
2. Der Gehorsam gegenüber der Autorität: Im Schatten des Eichmann-Prozesses wollte der Psychologe Stanley Milgram wissen, wie weit Menschen gehen, wenn eine Autoritätsperson es befiehlt. In seinem berühmten Experiment wies ein Wissenschaftler im Laborkittel normale Bürger an, einem anderen Menschen (einem Schauspieler) immer stärkere Elektroschocks zu verabreichen. Die schockierende Erkenntnis: Eine Mehrheit der Teilnehmer ging bis zur potenziell tödlichen Höchstspannung. Das Experiment beweist unsere tief sitzende Tendenz, Autoritäten zu gehorchen, selbst wenn es unserem Gewissen widerspricht.
3. Die Macht der Situation: Philip Zimbardos Stanford-Gefängnis-Experiment ging noch einen Schritt weiter. Zufällig ausgewählte Studenten wurden in die Rollen von „Wärtern“ und „Gefangenen“ eingeteilt. Innerhalb kürzester Zeit übernahmen die Wärter ihre Rolle so sehr, dass sie sadistisches und missbräuchliches Verhalten zeigten, während die Gefangenen passiv und verzweifelt wurden. Das Experiment musste abgebrochen werden. Es legt nahe, dass die Situation und die zugewiesene soziale Rolle die individuelle Persönlichkeit außer Kraft setzen können.
Diese drei Konzepte sind keine Gegensätze, sondern die Bausteine einer einzigen, schrecklichen Gleichung: Eine von einer legitimen Autorität (Milgram) geschaffene Situation (Zimbardo), bevölkert von gedankenlosen Individuen (Arendt), ermöglicht Massengräueltaten. Ein Konzentrationslager ist eine solche Situation. Der NS-Staat liefert die Autorität. Und ein Bürokrat wie Eichmann ist der perfekte Funktionär, um das System am Laufen zu halten.
Die Regime, die wir betrachten, sind Experten darin, genau solche Situationen zu schaffen. Sie fördern Brutalität und bestrafen Mäßigung. Sie machen das Böse zur Norm. Die Lektion ist nicht nur, dass Menschen böse Dinge tun können, sondern dass Systeme geschaffen werden können, die gewöhnliche Menschen dazu bringen, das Böse zu tun.
Was denkst du über diese psychologischen Erklärungen? Findest du sie überzeugend oder zu einfach? Lass es mich in den Kommentaren wissen und like den Beitrag, wenn er dich zum Nachdenken anregt!
Die Narben der Generationen: Das Erbe des Terrors
Die Gräueltaten enden nicht mit dem Tod der Diktatoren. Sie hinterlassen tiefe Narben in Gesellschaften, die über Generationen hinweg spürbar sind.
In Deutschland begann nach dem Krieg mit den Nürnberger Prozessen ein Prozess der juristischen Aufarbeitung, der den Begriff „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ prägte. Doch die gesellschaftliche Auseinandersetzung, die Vergangenheitsbewältigung, war ein langer und schmerzhafter Weg, der Jahrzehnte dauerte.
In Russland ist die Erinnerung an Stalin umkämpft. Nach seinem Tod gab es eine Phase der „Entstalinisierung“, aber heute wird sein Image unter Putin teilweise rehabilitiert – als starker Kriegsfürst, der das Land modernisierte. Der Terror wird heruntergespielt, um die heutige autoritäre Herrschaft zu legitimieren. In China lautet das offizielle Urteil, Mao sei „zu 70 % gut und zu 30 % schlecht“ gewesen. Eine offene Diskussion über die Millionen Opfer des Großen Sprungs nach vorn oder der Kulturrevolution ist tabu.
Dieses Erbe ist nicht nur abstrakt. Es hat messbare Folgen. Studien zeigen, dass in Russland jene Gemeinschaften, die unter Stalin am stärksten litten, heute ein geringeres Vertrauen in den Staat und eine niedrigere Wahlbeteiligung aufweisen. In der Ukraine neigen Gemeinschaften, die unter sowjetischen Deportationen litten, seltener dazu, pro-russische Parteien zu wählen. Das Trauma vererbt sich politisch. Der Holocaust hat nicht nur die jüdische Identität für immer verändert und zur Gründung Israels geführt, sondern hinterlässt nachweislich auch transgenerationales Trauma bei den Nachkommen der Überlebenden.
Die Art, wie eine Nation mit ihrer Vergangenheit umgeht, prägt ihre Gegenwart und Zukunft.
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Unsere Wacht: Was wir tun können, damit es nie wieder geschieht
Was lernen wir also aus all dem? Die Analyse der Vergangenheit ist wertlos, wenn wir keine Lehren für die Zukunft ziehen. Die Architektur der Gräueltaten hat wiederkehrende Muster, und diese zu erkennen, ist unsere beste Verteidigung.
Die Warnzeichen sind klar und wurden von Forschern wie Gregory Stanton in den „Zehn Stufen des Völkermords“ zusammengefasst:
Die Schaffung einer „Wir-gegen-die“-Mentalität.
Die Verwendung von entmenschlichender Sprache, die Opfergruppen mit Krankheiten oder Tieren vergleicht.
Staatlich geförderte Diskriminierung.
Die Schaffung spezieller, bewaffneter Gruppen außerhalb der regulären Armee oder Polizei.
Ein allgemeiner Kontext politischer Instabilität.
Die Prävention erfordert daher den Aufbau resilienter Gesellschaften. Das bedeutet: die Stärkung demokratischer Institutionen, den Schutz einer freien Presse, die Förderung von Bildung, die kritisches Denken statt blindem Gehorsam lehrt, und vor allem eine Kultur der historischen Ehrlichkeit.
Letztendlich liegt die letzte Verteidigungslinie aber nicht in Gesetzen oder Institutionen, sondern im einzelnen Menschen. Im individuellen Gewissen. Die wichtigste Lektion aus den dunkelsten Stunden der Geschichte ist die tiefgreifende Bedeutung der persönlichen moralischen Verantwortung. Es ist unsere Fähigkeit, Autorität zu hinterfragen, uns der Entmenschlichung zu verweigern und unabhängig zu denken. Denn die tödlichsten Männer der Geschichte bauten zwar die Systeme des Todes, aber sie brauchten die aktive oder passive Zustimmung von Millionen, um erfolgreich zu sein. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass diese Zustimmung nie wieder so leichtfertig gegeben wird.
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Verwendete Quellen:
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A RETROSPECTIVE ANALYSIS OF MAO ZEDONG THOUGHT AND ITS MODERN DAY RELEVANCE - https://orcasia.org/article/135/a-retrospective-analysis-of-mao-zedong-thought-and-its-modern-day-relevance
King Leopold II's Exploitation of the Congo From 1885 to 1908 and Its Consequences - ucf stars - https://stars.library.ucf.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=2641&context=honorstheses1990-2015
Dehumanized Perception: A Psychological Means to Facilitate Atrocities, Torture, and Genocide? - PMC - https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC3915417/
The "Final Solution" - Remember.org - A People's History - https://remember.org/facts-root-final.html
Gulag | EBSCO Research Starters - https://www.ebsco.com/research-starters/history/gulag
The Trial of Hannah Arendt | National Endowment for the Humanities - https://www.neh.gov/humanities/2014/marchapril/feature/the-trial-hannah-arendt
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Stanford Prison Experiment - Simply Psychology - https://www.simplypsychology.org/zimbardo.html
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The Political Legacy of Violence: The Long-Term Impact of Stalin's ... - https://www.journals.uchicago.edu/doi/10.1086/692964
The Ten Stages of a Genocide - Montreal Holocaust Museum - https://museeholocauste.ca/en/resources-training/ten-stages-genocide/








































































































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